Es beginnt nie mit einer Ansage.
Es beginnt mit einem Seufzen.
Mit einem Tonfall, der nach Vernunft klingt.
Nach Müdigkeit. Nach Reife.
„So kann das doch nicht ewig weitergehen.“
„Irgendwann muss man auch mal Kompromisse machen.“
„Es ist nicht schön, aber vielleicht notwendig.“
So klingt es, wenn man innerlich schon kapituliert hat – aber es sich selbst noch als Haltung verkauft.
Und niemand merkt, wie die Sprache langsam weicher wird.
Wie aus Unrecht ein Problem wird.
Wie aus einem Angriff ein Dilemma wird.
Wie aus Verteidigung eine Provokation wird.
Es braucht keine Propaganda mehr, wenn die Leute gelernt haben, sich selbst zu manipulieren.
Wenn man nicht mehr fragt: „Was ist richtig?“, sondern: „Wie komme ich hier heil raus?“
Dann beginnen die Sätze, die alles relativieren:
„Es ist kompliziert.“
„Man darf das nicht schwarz-weiß sehen.“
„Beide Seiten machen Fehler.“
Und wer widerspricht, gilt als verbohrt.
Als moralisch aufgeladen.
Als gefährlich.
Denn nichts ist unwillkommener als jemand,
der das Gleichgewicht stört, das sich durch Schweigen eingestellt hat.
Wenn die Forderung nach Gerechtigkeit zur Belastung wird –
wenn das Beharren auf Selbstbestimmung als Radikalität gilt –
wenn man plötzlich fragt, ob es das alles noch wert ist –
dann ist die Entscheidung längst gefallen.
Dann wird das Aufgeben in Formulierungen gegossen:
„Es geht doch um Frieden.“
„Verhandlungen sind der bessere Weg.“
„Wir müssen verstehen, wie es so weit kommen konnte.“
Und während man sich selbst auf die Schulter klopft,
verliert irgendwo jemand,
ohne dass es noch jemanden interessiert.
Denn irgendwann verschiebt sich die Schuld.
Nicht mehr der Täter ist das Problem,
sondern der, der sich nicht ergibt.
Nicht mehr der Aggressor wird kritisiert,
sondern der, der weiterkämpft.
Der, der nicht verzeihen will.
Der, der keine Abstriche macht.
Der, der nicht aufhört, das Unrecht beim Namen zu nennen.
Plötzlich ist derjenige, der standhaft bleibt, derjenige, der „eskaliert“.
Und der, der fordert, wird zum Feind des Friedens.
Weil es bequemer ist, ihn zum Problem zu machen,
als sich der Wahrheit zu stellen.
Es beginnt mit einem Kompromiss.
Nur ein kleiner. Nur symbolisch.
Dann ein weiterer.
Dann einer, den man nur intern kommuniziert.
Dann einer, der gar nicht mehr auffällt.
Und irgendwann braucht es keine Rechtfertigung mehr –
weil alle längst wissen, was als nächstes passiert.
Die Zustimmung ist nicht das Problem.
Das Problem ist die Gewöhnung.
An das Schweigen.
An das Verschweigen.
An das Gefühl, dass man vielleicht einfach ein bisschen weniger verlangen sollte.
Weil es sonst wieder ungemütlich wird.
Weil man sonst wieder erklären müsste, warum man nicht aufgeben will.
Am Ende wird nicht gefragt, wer recht hatte.
Sondern wer geschwiegen hat.
Nicht, wer für Gerechtigkeit war.
Sondern, wer bereit war, sie aufzugeben – solange es leise genug war.
Und wenn alles vorbei ist,
werden sich viele erinnern,
wie erleichtert sie waren,
als endlich niemand mehr was verlangt hat.
Und dann wird niemand mehr wissen,
ob das schon der Frieden war –
oder einfach nur das Ende.