Stell dir vor, du rüstest dir eine Armee aus Vergewaltigern, Mördern und Gewohnheitskriminellen zusammen, wirfst sie in einen Krieg, lässt sie töten, foltern und brandschatzen – und bist dann überrascht, wenn sie mit einem Kalaschnikow-Lächeln nach Hause zurückkommen und dort weitermachen, wo sie aufgehört haben. Willkommen in Putins Russland, Stand 2025.
Mehr als 333.000 schwere und besonders schwere Straftaten in nur sechs Monaten. Höchststand seit 15 Jahren. Und nein, das sind keine Zahlen aus einem zerfallenden Drittweltstaat – das ist die offizielle Kriminalstatistik der Russischen Föderation. Und die Betonung liegt auf „offiziell“. Denn was die Behörden nicht mehr veröffentlichen wollen, überlassen sie lieber der Fantasie der Beobachter.
Der Grund für diesen Kriminal-Tsunami? Ganz einfach: Die „Veteranen“ sind zurück. Also jene Ex-Häftlinge, die für ein bisschen Fronturlaub und ein Versprechen auf Amnestie zu Kanonenfutter wurden. Männer, die für Mord, Vergewaltigung oder Raub saßen – und jetzt mit Kriegserfahrung, PTSD und einer AK-47 in der Hand wieder auf Russlands Straßen unterwegs sind.
Die Reaktion des Kremls? Abwiegeln, lügen, vertuschen. Peskow nennt das „schlechtes Benehmen“. Man müsse „nicht beunruhigt sein“, die Sicherheitsdienste hätten alles im Griff. Dass die Polizei in vielen Regionen komplett überfordert ist, dass lokale Verwaltungen „ihre Veteranen“ längst als Schutztruppen und Druckmittel einsetzen, dass Moskau über den Verbleib tonnenweise illegaler Waffen keine Kontrolle mehr hat – wird natürlich nicht thematisiert.
Dabei ist die Lage längst außer Kontrolle. Veteranen übernehmen ganze Stadtteile, beschützen Läden, treiben Schutzgeld ein, spielen Polizei – nur halt mit Baseballschläger statt Dienstmarke. In Regionen wie Tuwа, Burjatien oder Sibirien ist die Staatsmacht nur noch eine Karikatur – die eigentlichen Machtverhältnisse regeln jetzt die Jungs mit den Tattoos, Frontorden und Kalaschnikows.
Putin hat sich sein eigenes Monster gezüchtet – und glaubt immer noch, es mit Symbolpolitik füttern zu können. Ein paar Milliarden Rubel in einen „Staatsfonds der Vaterlandsverteidiger“, geleitet von seiner Nichte. Ein bisschen Psychoreha hier, ein Arbeitsprogramm da. Alles Show. Denn die Wahrheit ist: Diese Leute lassen sich nicht mehr integrieren. Sie wollen auch nicht. Warum auch? Sie haben gelernt, dass Gewalt belohnt wird. Dass der Staat wegsieht, solange man für ihn kämpft. Und dass Angst mehr zählt als Gesetz.
Der Witz daran: Die ganze Nummer war von Anfang an illegal. Private Militärfirmen wie Wagner sind laut russischem Strafgesetzbuch ein Verbrechen. Artikel 208 und 359 stellen Gründung, Finanzierung und Beteiligung unter bis zu 20 Jahre Haft. Und trotzdem wurden sie nicht nur geduldet – sie wurden glorifiziert. Als Helden, als Retter, als „unsere Jungs“. 2023 erklärte die Biden-Regierung Wagner zur transnationalen kriminellen Organisation. Putin hingegen stellte ein Gesetz auf, das jede Kritik an Wagner unter Strafe stellt. Willkommen in der Mafia-Republik.
Heute zerfällt genau dieses System. Wagner ist tot – aber seine Veteranen leben. Und mit ihnen Dutzende andere paramilitärische Verbände, bewaffnete Söldnerfirmen, Ex-Häftlings-Bataillone und „Veteranenvereine“, die in Wahrheit als lokale Milizen fungieren. Moskau hat keine Kontrolle mehr – bestenfalls einen Pakt auf Zeit. Solange das Geld fließt.
Denn was passiert, wenn das Geld knapp wird? Wenn der Rubel einbricht, Arbeitslosigkeit steigt, regionale Spannungen eskalieren? Dann wird aus sozialem Sprengstoff ein Bürgerkrieg. Und diesmal nicht wie in den 90ern mit Mafiosi und Schwarzmarktdealern – sondern mit kampferprobten, bewaffneten, radikalisierten Ex-Soldaten, die gelernt haben, dass Gewalt das einzig funktionierende Argument ist.
Der Marsch auf Moskau von Wagner war nur der Vorgeschmack. Die nächste Runde wird dezentraler, brutaler, unvorhersehbarer. Mini-Wagners überall. Private Sicherheitsfirmen mit Artillerieerfahrung. Veteranenkommandanten, die Bürgermeister bedrohen. Eine schleichende Feudalisierung – mitten im Krieg.
Genau hier liegt die Ironie: Putin hat sich mit seiner „Spezialoperation“ nicht nur militärisch verrannt, sondern auch innenpolitisch. Russland steht vor einer Rebellion aus dem eigenen Bodensatz. Nicht von liberalen Städtern, nicht von NGO-Aktivisten – sondern von denen, die der Kreml selbst hochgepäppelt hat. Männer, die nichts mehr zu verlieren haben. Die wissen, wie man tötet. Und die gelernt haben, dass der Staat schwach ist, wenn er Angst hat.
Moskau hat eine neue Elite geschaffen – nicht durch Bildung, nicht durch Loyalität, sondern durch Gewalt. Und diese Elite ist hungrig, aggressiv und bewaffnet. Sie erkennt keine Gesetze an, nur Macht. Und irgendwann – vielleicht schon bald – wird sie sich fragen, warum sie eigentlich auf Befehle von oben hören soll. Warum sich nicht nehmen, was man will?
Die staatliche Autorität hat in Russland keine Monopolstellung mehr. Sie konkurriert jetzt mit parallelen Gewaltstrukturen, mit „Veteranenrechtsgruppen“, mit bewaffneten Kollektiven, die lokale Verwaltungen dominieren, Geschäftsleute erpressen und eigene Regeln machen.
Die Rückkehr dieser Männer ist kein soziales Problem. Sie ist eine sicherheitspolitische Zeitbombe. Und die tickt.
Putin hat sie gebaut.
Jetzt darf er zusehen, wie sie explodiert.
Wenn es knallt – und es wird knallen, sobald das Geld ausgeht – dann wird niemand mehr über die Ukraine reden. Dann wird „SVO“ nicht mehr in Bachmut stattfinden, sondern in Saratow, Krasnojarsk oder am Ural. Dann werden Russen auf Russen schießen, Veteranen auf Polizei, lokale Bosse auf föderale Autoritäten. Dann wird die Realität des Krieges dorthin zurückkehren, wo sie herkam: nach Hause.
Und vielleicht – nur vielleicht – endet Putins Macht nicht in einem G7-Kommuniqué, sondern in einem Keller irgendwo in Sibirien. Mit einem betrunkenen „Verteidiger des Vaterlandes“, der findet, dass ihm noch was zusteht.
Der Kreml hat gezündelt.
Jetzt wartet er, bis das Feuer kommt.
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— Trollhunter
Quellen und Einordnung:
Grundlage ist die Analyse der Jamestown Foundation vom 31. Juli 2025 über die Rückkehr bewaffneter Ex-Häftlinge und den Anstieg schwerer Gewaltverbrechen in Russland. Ergänzt durch russische Statistik, Nowaja Gaseta Europa und unabhängige Recherchen aus Russland und der Ukraine.