Deutschland diskutiert. Über Waffenlieferungen, über Eskalationen, über die „richtige Balance“ zwischen Prinzipien und Frieden. Man will moralisch bleiben, vernünftig, neutral. Und merkt nicht, dass das längst die Sprache der Kapitulation ist – höflich formuliert, demokratisch verpackt, aber innerlich leer.
Schweden hat angefangen, sich zu fragen, was es eigentlich noch zusammenhält. Der Militärexperte Jan Kallberg schreibt, man könne Milliarden in Panzer stecken – aber wenn niemand mehr weiß, warum er sie bedienen soll, ist das alles nutzlos. Eine Gesellschaft, die ihre Werte nicht kennt, wird sie auch nicht verteidigen. Und genau da stehen wir.
In Deutschland herrscht der Glaube, dass Geschichte erledigt sei. Dass Frieden etwas ist, das man verwalten kann. Dass Verteidigung nur noch was für andere ist – für NATO-Osteuropäer, für Amerikaner, für die Ukraine. Hier will man lieber „vermitteln“, „nachdenken“, „abwägen“. Man verwechselt Nachsicht mit Vernunft und Neutralität mit Stärke. Und genau das frisst das Land von innen auf.
Russland führt längst Krieg gegen Europa, nur nicht mit Raketen. Sondern mit Sprache, Desinformation, Zersetzung. Es unterwandert Diskurse, infiltriert Parteien, füttert Extremisten und dreht an den Rissen, die wir selbst geschaffen haben. Und währenddessen sitzt Deutschland zwischen allen Stühlen und nennt das „Diplomatie“.
Schweden hat verstanden, dass man nicht auf Verteidigung reagieren kann, wenn sie längst nötig ist. Man muss sie leben – im Alltag, in Medien, in Kultur, im Denken. In Deutschland dagegen tut man so, als könne man Wehrhaftigkeit outsourcen. Als sei der Feind eine geopolitische Kategorie, kein psychologischer Prozess. Aber das ist falsch. Der Feind sitzt längst im eigenen Kopf – als Müdigkeit, als Relativierung, als selbstgefälliger Pazifismus.
Man hört hier oft den Satz: „Wir dürfen nicht so werden wie die.“ Aber wer nur noch versucht, nicht so zu werden wie der Aggressor, wird irgendwann gar nichts mehr. Keine Haltung, kein Rückgrat, kein Maßstab. Nur Angst vor sich selbst.
In Deutschland hat man verlernt, Zugehörigkeit als Verantwortung zu begreifen. Man verwechselt Distanz mit Reife und Selbstkritik mit Selbstverachtung. Wer Haltung zeigt, gilt schnell als radikal; wer alles relativiert, als vernünftig. So entsteht eine Gesellschaft, die lieber diskutiert, wer schuld ist, als zu fragen, was sie schützen will. Kein Pathos, keine Flagge – einfach das Bewusstsein, dass dieses Land mehr ist als eine Verwaltungseinheit mit Wohlstandsgrenze. Genau das fehlt. Und genau dort setzt der Angriff an.
Die Ukraine zeigt, wie brutal schnell dieser Luxus endet. Dort wurde Wehrhaftigkeit nicht gelehrt, sondern erzwungen. Kein moralisches Konzept, sondern Überleben. Die Menschen dort wissen, was auf dem Spiel steht. Sie wissen, dass ein Land nur so lange existiert, wie jemand bereit ist, es zu verteidigen. Und dass es keine zweite Chance gibt, wenn man’s verpasst.
Europa täte gut daran, sich das einzuprägen. Nicht als Romantisierung, sondern als Warnung. Es geht nicht darum, Marschmusik zu spielen oder Kinder auf Krieg vorzubereiten. Es geht darum, erwachsen zu werden. Zu begreifen, dass Frieden kein Naturzustand ist. Dass Freiheit kein Geschenk ist. Und dass das eigene System nur so stark ist wie der Wille, es zu schützen.
Man kann Demokratie nicht verteidigen, wenn man sie nicht fühlt. Man kann sich nicht auf Rechtsstaat berufen, wenn man zu feige ist, ihn zu verteidigen. Und man kann kein Land führen, das sich für seine Existenz schämt.
Deshalb reicht es nicht mehr, Debatten zu führen. Es braucht Rückgrat. In Schulen, Medien, Politik, Kultur. Keine Heldengeschichten, keine Uniformen – sondern Bewusstsein. Das Wissen, dass es Grenzen gibt, die nicht verhandelbar sind. Dass man nicht jedem zuhören muss, der alles zerstören will. Dass nicht jedes Argument gleich viel wert ist, nur weil es laut ist.
Schweden sucht nach der Formel, wie man das vermittelt. Deutschland meidet sie. Und die Ukraine lebt sie – ob sie will oder nicht.
Die Frage ist also nicht, wer den größeren Verteidigungsetat hat. Sondern wer überhaupt noch weiß, was es zu verteidigen gibt.
Denn Patriotismus auf Bestellung gibt’s nicht. Aber Krieg auf Abruf schon.
Und wenn der Tag kommt, an dem Worte nicht mehr reichen – wird sich zeigen, wer wirklich verstanden hat, was „Nie wieder“ bedeutet.
────────────
— Trollhunter