Der russische Pass ist kein Stigma. Er ist jetzt ein Ausschlusskriterium

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Verfasst von Watchdog

November 12, 2025

Jetzt ist es also passiert. In Deutschland. Im Jahr 2025. Wer einen russischen Pass hat, darf nicht mehr alles studieren. Nicht in Moskau, nicht in Sibirien – sondern in Bonn. Ein deutscher Universitätskurs, ein russischer Staatsbürger, ein Warnhinweis. Kein Zugang zu Lehrveranstaltungen in Cybersicherheit, Künstlicher Intelligenz, medizinischer Datenanalyse oder anderen sensiblen Bereichen. Warum? Weil die Universität sichergehen will, dass kein Wissen nach Russland fließt. Und weil Sanktionen nicht immer Gesetze brauchen. Angst reicht.

Die Uni beruft sich auf EU-Sanktionsrecht. Nicht weil da konkret steht, dass Russen keine Vorlesungen besuchen dürfen. Sondern weil die „technische Hilfe“ an Russland in der Sanktionslogik mitgedacht wird. Und Wissen ist technische Hilfe. Also: Tür zu. Für den russischen Pass. Egal, wer ihn trägt. Ob überzeugter Demokrat, Putin-Gegner, ukrainischstämmiger Exilant oder stiller Dissident – der Pass reicht. Mehr muss niemand wissen.

Man kann das brutal nennen. Aber brutal ist nicht das Problem. Brutal ist die Realität. Und die Realität ist: Russische Staatsbürger werden jetzt vorsorglich ausgeschlossen, weil niemand mehr Lust hat, der letzte naive Idiot zu sein, der „technische Hilfe“ nach Russland durchwinkt. Weil keiner derjenige sein will, auf dessen Campus jemand lernt, was später Raketen besser macht. Oder Überwachungssysteme. Oder Deepfake-Algorithmen. Der russische Pass ist kein Zufall mehr – er ist ein Sicherheitsrisiko.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes? Offiziell nicht zuständig. Weil im deutschen Gleichbehandlungsgesetz die Nationalität kein geschütztes Merkmal ist. Hautfarbe, Geschlecht, Religion – ja. Aber nicht der Pass. Und so geht das durch. Leise, aber wirkungsvoll. Es gibt keine Klage, kein Verfahren, keine Entschädigung. Nur ein Kursverbot, das keiner erklären muss. Und eine Bürokratie, die einfach weiterarbeitet.

Was in Bonn beginnt, wird nicht dort enden. In der deutschen Verwaltung zählt nicht Mut, sondern Präzedenz. Und sobald ein Präzedenzfall existiert, multipliziert sich die Vorsicht. Der nächste Kursleiter denkt nach. Der nächste Institutsdirektor will kein Risiko. Der nächste Referatsleiter macht einen Haken an die Liste der Nationalitäten. Kein Vermerk, kein Skandal, keine Debatte. Nur ein Excel-Feld, das entscheidet, wer hier lernen darf – und wer nicht.

Das ist keine politische Reaktion. Das ist Verwaltung in Reinform. Und genau deshalb so effizient. Private Unternehmen werden folgen. Forschungsinstitute, Stiftungen, Förderprogramme, Stipendiengeber. Wer Geld vergibt, will keine Kontroversen. Und wer Daten verarbeitet, will keine russischen Namen in den Personalakten. Man wird sich nicht trauen, laut zu sagen, dass Russen unerwünscht sind. Aber man wird sie aussortieren, bevor jemand nachfragt.

Und das Überraschende: Niemand nennt es Diskriminierung. Es ist eine Risikoabwägung. Wenn du das Risiko nicht exakt benennen kannst, reduzierst du es auf null. Der russische Pass? Ein unkalkulierbares Risiko. Also raus. Das ist nicht Hass. Das ist System. Und das System funktioniert.

Das alles hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Sondern mit Signalpolitik. Und mit Geschichte. Denn das hier ist auch ein symbolischer Bruch. Deutschland hat sich 70 Jahre nicht erlaubt, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aus Schuld. Aus Geschichte. Aus Anstand. Doch jetzt hat sich das Blatt gewendet. Jetzt kann Deutschland sagen: Wir sind nicht mehr die Gefährlichen. Die da sind es. Und niemand widerspricht.

Die Deutschen haben sich das nicht ausgesucht. Aber sie haben es gespürt. Dieses Gefühl, zum ersten Mal seit Jahrzehnten moralisch überlegen zu sein, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Die Russen liefern die Bilder, die Narrative, die Begründung. Massaker, Raketen, Zwangsdeportationen, Kriegsverbrechen. Und Europa reagiert nicht mehr mit Erklärungen. Sondern mit Sperrvermerken.

Man muss das nicht feiern. Aber man sollte es verstehen. Was in Bonn passiert, ist keine Marotte. Es ist ein Systemwechsel. Wissen wird nicht mehr als neutral betrachtet. Bildung ist nicht mehr grenzenlos. Forschung ist nicht mehr offen. Sondern selektiv. Und die Selektion beginnt mit dem Pass. Wer den falschen hat, bleibt draußen.

Für Russland ist das der Anfang vom Ende einer Illusion. Die Illusion, dass man Europa angreifen und gleichzeitig von seinem Know-how profitieren kann. Dass man die eigenen Kinder ins Ausland schicken kann, um sie später als Eliten zurückzuholen. Dass man die westliche Welt hasst – aber von ihr lernen darf. Diese Zeit ist vorbei.

Und wer heute glaubt, es gehe nur um einen Kurs in Bonn, wird morgen merken, dass es längst um den Zugang zur Zukunft geht. Russland wird nicht mehr nur sanktioniert. Es wird ausgeschlossen. Nicht aus Reue. Sondern aus Prinzip.

Und das ist keine Tragödie. Es ist eine Konsequenz.

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— Trollhunter

Quellen und Einordnung:

Der Fall bezieht sich auf offizielle Angaben aus dem deutschen Hochschulbereich. Die Universität verweist auf EU-Sanktionsrecht, das keine direkten Bildungsverbote enthält, aber „technische Hilfe“ für Russland als Risiko bewertet. Die zuständige Antidiskriminierungsstelle erklärt, dass Nationalität laut deutschem Gleichbehandlungsgesetz kein geschütztes Merkmal ist. Der Ausschluss gilt für russische Staatsbürger unabhängig von Aufenthaltsstatus oder politischer Haltung.

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