Willkommen im Moskau der nächsten geopolitischen Peinlichkeit. Der syrische Diktator Bashar al-Assad lebt inzwischen dort, im sicheren Schoß des Kremls – als politisches Überbleibsel einer Ära, die nicht nur in Syrien verbrannt ist, sondern auch für Russland langsam zum Problem wird. Der neue syrische Präsident Ahmad Aschara, der gerade erst Assads Regime vom Thron gestoßen hat, wurde in Moskau empfangen. Warum? Weil Putin etwas will, was er nicht verlieren darf: seine Militärbasen in Syrien. Und weil Aschara etwas braucht, das er nicht selbst hat: Geld. Und Bautrupps. Und ein bisschen internationalen Anschein von Normalität. Kurz gesagt: Beide Seiten brauchen einander, und genau das macht’s kompliziert.
Denn Aschara will mehr als nur Bauzement. Er will Assad. Ausgeliefert. Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wegen Fassbomben, Giftgas, Massenmorden. Und weil kein syrischer Wiederaufbau ernsthaft beginnen kann, solange der Mann, der das Land in die Hölle getrieben hat, unbehelligt unter russischem Schutz residiert. Putin wiederum will keinen Skandal. Kein Tribunal. Keine Pressefotos eines nervös schwitzenden Assad in Den Haag. Denn Assad könnte reden. Und was er zu sagen hätte über russische Waffen, russische Piloten, russische Komplizenschaft – das würde nicht nur die letzten Reste russischer Glaubwürdigkeit pulverisieren, sondern die ganze Inszenierung von Macht in sich zusammenfallen lassen.
Der Knackpunkt: Weder Putin noch Aschara können offen nachgeben. Putin kann Assad nicht ausliefern – das wäre innenpolitisch Selbstmord. Aber Aschara kann die Forderung nicht zurückziehen – das wäre außenpolitisch ein Armutszeugnis. Und so sitzen beide in einem politischen Patt, das aussieht wie ein diplomatisches Abendessen – aber nach Erpressung riecht.
Und genau hier wird’s interessant. Denn die Geschichte zeigt: Wenn Moskau sich entscheiden muss zwischen einem Diktator und seiner geopolitischen Strategie, dann fällt der Diktator meistens aus dem Fenster. Oder bekommt spontan Herzprobleme. Oder fährt ein bisschen zu schnell mit dem Auto. Oder wird von Nostalgie übermannt und „kehrt freiwillig zurück“. Um dann unter mysteriösen Umständen zu sterben – oder ganz zufällig nie mehr öffentlich gesehen zu werden. Das ist kein Zufall. Das ist System. So wie bei Suret Guseinov, dem ehemaligen Premierminister Aserbaidschans, der jahrelang treu russische Interessen vertreten hatte – bis er unbequem wurde. Dann wurde er ausgeliefert. Und weggesperrt. Russland hat kein Problem damit, seine Altlasten zu entsorgen – wenn es der Strategie dient. Assad könnte die nächste Altlast sein, denn seine bloße Anwesenheit blockiert jeden Neuanfang zwischen Moskau und Damaskus.
Und irgendwann wird Putin entscheiden müssen: Assad oder der Zugang zum Mittelmeer? Assad oder die Kontrolle über den syrischen Luftraum? Assad oder Einfluss auf den Iran? Man darf also gespannt sein, wie lange Assad noch in Moskau atmet. Die Gerüchteküche brodelt längst: Von Vergiftungen ist die Rede, von angeschlagener Gesundheit, von depressiven Episoden. Alles ganz zufällig. Alles ganz plausibel. Genau die Art Vorwarnung, die später in die offizielle Version passt. Wenn Assad plötzlich stirbt. Oder verschwindet. Oder – wer weiß – „freiwillig“ in den Suizid flüchtet.
Und sollte das nicht passieren, bleibt Aschara nur noch eins: vergessen. Vergessen, dass Assad für Hunderttausende Tote steht. Vergessen, dass der neue Syrienvertrag auf einem stillen Abkommen basiert: keine Gerechtigkeit, keine Verantwortung, kein Prozess. Nur Stabilität. Und russische Hilfe beim Wiederaufbau. Ein hoher Preis. Aber einer, den autoritäre Systeme gerne zahlen – solange es ihnen die Macht sichert.
Doch Aschara hat ein Problem. Im Gegensatz zu Putin muss er sich früher oder später einer Wahl stellen. Wenn er nicht vorher ein System installiert, das auch diese Wahl zur Farce macht. Wenn nicht, dann wird er erklären müssen, warum Assad in Moskau lebt, während in Damaskus die Massengräber offengelegt werden. Und dann könnte selbst für Aschara der Gedanke an ein „Unfallfenster“ verlockender sein als ein offenes Mikrofon.
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— Trollhunter
Quellen und Einordnung:
Der Text basiert auf aktuellen Informationen zur politischen Lage in Syrien nach dem Sturz von Assad, öffentlich zugänglichen Meldungen über das Asyl des Ex-Diktators in Russland sowie dokumentierten historischen Beispielen russischer Auslieferungspolitik und Machtlogik gegenüber gefallenen Verbündeten. Die Analyse greift bekannte Muster russischer Einflussnahme im Nahen Osten auf und überträgt sie auf die aktuelle Lage zwischen Moskau und Damaskus.