Am 13. April, Palmsonntag, fliegen zwei russische Raketen in die ukrainische Stadt Sumy. Die Straßen sind voller Menschen. Familien auf dem Weg in die Kirche. Kinder in einem Trolleybus. 36 Menschen sterben, 117 werden verletzt, darunter mindestens zwei Kinder. Einer, 13 Jahre alt, zieht Verletzte aus dem brennenden Wrack – obwohl er selbst blutet. Dieser Junge ist kein Soldat. Kein Held im Fernsehen. Er ist echt. Und er zeigt uns, was Mut ist.
Zur selben Zeit beginnen in Europa die Gespräche über russisches Gas. 60, vielleicht 70 Milliarden Kubikmeter jährlich. Engie, TotalEnergies – sie prüfen die Rückkehr. Nach allem, was war. Nach Butscha. Nach Mariupol. Nach Sumy.
Was wie ein Zufall klingt, ist in Wahrheit ein System: Während Russland mit Raketen spricht, testet es die Standfestigkeit der Welt. Und Europa steht jetzt genau da, wo es nicht ausweichen kann. Die Ukraine hat das erkannt. Und lädt ein – am 9. Mai. Nach Kiew. Nicht zu einem Gedenken. Sondern zu einem Zeichen.
Der 9. Mai – Putins Feiertag der Lüge
Für Russland ist der 9. Mai nicht irgendein Datum. Es ist der zentrale ideologische Feiertag des Regimes. Der „Tag des Sieges“. Der Tag, an dem der Kreml sich selbst als Erben der Geschichte inszeniert – als ewiger Sieger über das Böse. Paraden, Panzer, Pathos. Und dieses Jahr besonders groß: 80 Jahre nach 1945. Putin will die Welt einladen. Nordkorea, Iran, vielleicht sogar Verbündete aus Europa.
Doch dieser Tag gehört nicht Moskau. Er gehört allen, die nach dem Krieg geschworen haben: Nie wieder.
Die Ukraine stellt sich diesem Missbrauch entgegen. Sie lädt die Welt ein – nach Kiew. Dorthin, wo heute gekämpft wird. Dorthin, wo Kinder sterben, weil ein Regime Geschichte in Raketen gießt. Dorthin, wo Europa zeigen kann, dass es mehr ist als ein Binnenmarkt.
Einladung zur Entscheidung
Diese Einladung ist keine symbolische Geste. Sie ist ein Prüfstein. Wer am 9. Mai in Kiew steht, steht für Klarheit. Wer ausweicht, überlässt das Feld der Lüge.
Deutschland ist eingeladen. Und Deutschland ist entscheidend. Nicht, weil es alles allein entscheiden kann – sondern weil es mit seinem Handeln Orientierung gibt. Wir haben uns lange schwergetan mit der Lieferung von Taurus-Raketen. Doch die Uhr tickt. Die Ukraine braucht Reichweite. Und Europa braucht Klarheit.
Das Signal ist gesetzt: Deutschland wird sich bewegen müssen. Nicht aus Druck, sondern aus Überzeugung. Die Taurus-Frage ist dabei mehr als ein Waffensystem. Sie ist ein Symbol: für den Willen, sich nicht mehr hinter Diplomatie zu verstecken, wenn das Recht mit Füßen getreten wird.
Der Gas-Test
Zur selben Zeit, während die Ukraine trauert und Europa eingeladen wird, beginnen große Energiekonzerne in Frankreich über die Rückkehr zu russischem Gas nachzudenken. Sie nennen es „Diversifizierung“. In Wahrheit ist es ein Test: Wie groß ist die Versuchung? Wie standhaft ist Europa wirklich?
Niemand verlangt, dass wir frieren. Aber wenn wir bereit sind, auf die Stimmen von Sumy zu verzichten, nur um wieder günstig zu heizen – dann haben wir den Sinn dieses Krieges nicht verstanden.
Trump, Witkoff, und die Desinformation
Auch in den USA verschiebt sich die Wahrnehmung. Donald Trump erklärt nach dem Angriff auf Sumy, Russland habe wohl „einen Fehler gemacht“. Diese Worte bekommt er von einem persönlichen Emissär: Steve Witkoff, der sich mehrfach mit Putin getroffen hat. Vier Stunden in St. Petersburg. Hinter verschlossenen Türen. Der Kreml hat diese Gespräche genutzt, um ein neues Bild zu zeichnen: Russland will Frieden – die Ukraine blockiert.
Doch wer sich Sumy ansieht, weiß: Hier blockiert nichts außer der Wahrheit. Frieden ist nicht der Zustand ohne Kampf. Frieden ist der Zustand ohne Gewalt. Und genau das fordert die Ukraine: einen gerechten Frieden – nicht einen faulen Deal.
Der 13-Jährige aus Sumy und der Mut Europas
Der Junge in Sumy hat gehandelt, weil er wusste: Wenn er nichts tut, sterben Menschen. Er hatte keine Wahl. Europa hat sie. Noch.
Der 9. Mai 2025 ist keine Routine. Er ist ein Moment der Wahrheit. Die Ukraine kämpft nicht allein. Sie verteidigt auch unser Recht, in einer Welt zu leben, in der Geschichte nicht von Bomben geschrieben wird, sondern von Haltung.
Deutschland hat die Chance, dabei zu sein – sichtbar, klar, entschlossen. Nicht um zu führen. Sondern um zu stehen. Seite an Seite.
Der 9. Mai ist der Tag, an dem wir zeigen können, wer wir wirklich sind. Nicht für Russland. Nicht für Schlagzeilen.
Sondern für uns selbst.