Wie man aus einem Ukrainer einen Terroristen macht

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Verfasst von Watchdog

Mai 15, 2025

Russlands verdeckter Krieg im Flüchtlingsstrom

Vorbemerkung

Dieser Text richtet sich nicht gegen ukrainische Geflüchtete. Im Gegenteil: Er nimmt sie in Schutz – vor einem Missbrauch, der längst Realität ist. Russland hat verstanden, dass man keine Panzer braucht, um Europa zu destabilisieren. Es reicht ein Pass. Die folgende Analyse beschreibt, wie russische Dienste unter dem Deckmantel echter Fluchtbewegungen gezielt Agenten einschleusen, Vertrauen untergraben und die gesamte ukrainische Diaspora diskreditieren wollen. Wer das ignoriert, schützt nicht die Ukraine – sondern öffnet Russland die Tür.

Ein Pass als Waffe

Millionen Menschen fliehen aus der Ukraine, weil Russland ihnen alles genommen hat: Sicherheit, Heimat, Zukunft. Die wenigsten denken dabei an Geheimdienste oder Sabotage. Aber genau das nutzt der Kreml aus – nicht, um Flüchtlinge zu diskreditieren, sondern um Europa zu täuschen. Es ist kein Angriff auf Menschen. Es ist ein Angriff auf Vertrauen.

Stellen Sie sich vor, in einer deutschen Stadt geht ein Lager in Flammen auf. Wenige Tage später wird ein Verdächtiger festgenommen – ukrainischer Pass, Asylstatus, unauffällig. Und plötzlich steht nicht der Täter im Fokus, sondern eine Nation: „Ukrainer in Deutschland – Gefahr im Verborgenen?“ Genau das ist der Plan.

Der Missbrauch echter Identitäten

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 flüchteten Millionen Menschen aus der Ukraine nach Europa. Doch Russland hatte Jahre Zeit, um ukrainische Ausweise gezielt zu manipulieren, umzuleiten, zu instrumentalisieren. Besonders in den besetzten Gebieten – Donezk, Luhansk, Mariupol – wurden zehntausende Bewohner systematisch „umetikettiert“. Russische Verwaltung, ukrainische Papiere. Menschen, die in Filterlagern landeten, mit Kollaborationsdruck lebten oder schlicht keine Wahl hatten.

Ein Teil dieser „neuen Ukrainer“ ist mittlerweile in der EU – darunter auch Personen, die unter Druck, Täuschung oder gezielter Steuerung durch russische Behörden dorthin gelangten. Über humanitäre Korridore, mit gefälschten Papieren oder echten Pässen, aber falscher Loyalität. Wer dort ankam, war nicht automatisch Spion – aber manche wurden dazu gemacht. Und genau das nutzt der russische Geheimdienst aus: Sabotage, Erkundung, Einfluss. Die perfekte Tarnung? Ein echter Pass aus Kramatorsk.

Unter diesen Fällen finden sich sowohl gezielt vorbereitete Personen mit Kampferfahrung in den sogenannten Volksrepubliken – mit Kenntnissen über Sprengstoff, Verstecke, Funkdisziplin – als auch einfache Zivilisten, die unter Druck gesetzt wurden. Und deren Geschichten tragisch, nicht kriminell sind. Weil ihre Familie noch in Mariupol lebt und der FSB längst klargemacht hat, was passiert, wenn sie nicht spuren.

Die Logik der Diskreditierung

Ein einziger Vorfall reicht – und Moskaus gewünschte Wirkung tritt ein: Misstrauen trifft nicht Täter, sondern die Falschen. Die Propaganda springt an, rechte Politiker fordern Aufnahmestopps, das Klima kippt. Russland braucht kein Netzwerk von Superspionen. Es reicht eine gezielte Verwirrung – und Europa diskreditiert sich selbst.

Denn wenn der Agent erfolgreich ist, liefert er Daten. Wenn er scheitert, liefert er Schlagzeilen. Und die sagen dann nicht „Russischer Saboteur“, sondern: „Ukrainischer Flüchtling unter Terrorverdacht“. Die russische Handschrift bleibt unsichtbar. Denken wir an den Crocus-Anschlag in Moskau: Der Kreml schob sofort die Schuld Richtung Ukraine – obwohl alles auf Islamisten deutete. Dasselbe Prinzip funktioniert auch in Berlin, Prag oder Warschau.

Was zu tun ist

Wegsehen ist keine Option. Wer Schutz gewährt, muss wissen, wem. Europäische Sicherheitsbehörden brauchen Zugriff auf ukrainische Informationen. Besonders für Personen aus besetzten Gebieten, die 2022 bis 2024 eingereist sind – ohne Registrierung durch ukrainische Evakuierungskorridore. Genau diese Gruppe ist risikobehaftet. Die Ukraine hat das Wissen – der Westen braucht den Zugang.

Gleichzeitig braucht es Finanzüberwachung: Kryptowährungen, Schattenzahlungen, russische Bankverbindungen. Viele Sabotageakte werden über Drittländer finanziert – über Strohmänner in Georgien, Armenien, Serbien. Ohne ukrainische Aufklärung zu FSB-nahem Zahlungsverkehr fehlt Europa ein entscheidendes Puzzlestück.

Die Ukraine ist nicht das Problem – sie ist die Lösung

Die Ukraine ist nicht das Problem – sie ist der Schlüssel zur Lösung. Wer Millionen Geflüchtete pauschal unter Verdacht stellt, spielt Moskau in die Hände. Genau diese Verwirrung will der Kreml: Aus Opfern Täter machen, aus Schutz Misstrauen, aus Vertrauen einen wunden Punkt.

Was vielen Tschetschenen nach 9/11 widerfuhr – pauschales Misstrauen trotz realer Bedrohung – droht nun der ukrainischen Nation: erst Sympathie, dann Misstrauen, dann Isolation. Die Schlagzeilen ändern sich bereits: „Ukrainer beim Ausspähen eines Militärdepots festgenommen.“ – „Flüchtlinge unter Terrorverdacht.“ – „Ukrainischer Passinhaber beim Anschlagsversuch gestoppt.“ Drei Fälle – und das Vertrauen ist hin.

Die strategische Entscheidung

Aber Europa hat etwas, das Russland nicht hat: einen Partner, der helfen kann. Die Ukraine weiß, wie man russische Agenten erkennt. Sie kennt ihre Netzwerke, ihre Taktiken, ihre Decknamen. Doch ohne Austausch, ohne Vertrauen, ohne Zusammenarbeit bleibt all dieses Wissen ungenutzt. Und Europa bleibt wehrlos.

Der gefährlichste Fehler wäre, die Ukraine als Risiko zu behandeln – statt als Verbündeten. Der zweitgrößte: glauben, man könne das allein lösen.

Putin will aus Ukrainern Terroristen machen. Europa muss aus der Ukraine einen Sicherheitspartner machen – jetzt, nicht später. Alles andere ist ein Geschenk an den Kreml.

Quellen und Hintergrund zur Einordnung:

Die im Artikel dargestellten Sachverhalte stützen sich auf eine Vielzahl öffentlich zugänglicher Quellen westlicher und ukrainischer Medien sowie auf sicherheitspolitische Einschätzungen aus EU-Staaten. Hier eine Auswahl der zentralen Belege:

– ZDF, 04.04.2024: In einem Investigativbericht dokumentiert das ZDF die gezielte Anwerbung ukrainischer Flüchtlinge durch russische Akteure. Im Fokus steht der Fall eines Mannes aus Hessen, dem angeboten wurde, gegen Bezahlung Sabotageakte in Deutschland zu verüben. Die Kontaktaufnahme erfolgte über prorussische Telegram-Kanäle.

– RND, 23.04.2024: Deutsche Sicherheitsbehörden verhafteten mutmaßliche russische Agenten, die offenbar verdeckt in Deutschland operierten. Laut Ermittlern nutzten sie bestehende Flüchtlingsstrukturen, um sich unauffällig zu bewegen.

– BBC, 25.03.2024: Nach dem Terroranschlag in der Crocus City Hall in Moskau versuchten russische Regierungsstellen trotz Bekenntnis des Islamischen Staats die Verantwortung der Ukraine zuzuschreiben. Internationale Beobachter und Medien werteten dies als propagandistische Instrumentalisierung.

– n-tv, 12.05.2023: Bericht über Russlands systematische Passvergabe in den besetzten ukrainischen Gebieten seit 2014. Die Maßnahme dient laut Beobachtern der vollständigen Eingliederung dieser Regionen in russische Verwaltungsstrukturen.

– Der Standard, 14.09.2023: Analyse der russischen Staatsbürgerschaftspolitik in der Ostukraine. Dokumentiert wird u. a., wie russische Behörden gezielt Pässe an loyal eingestellte Personen in Donezk, Luhansk, Mariupol oder Melitopol ausgeben.

– EUObserver, 18.02.2024: In einem sicherheitspolitischen Bericht wird erläutert, wie Russland Fluchtbewegungen systematisch für hybride Kriegsführung nutzt – insbesondere durch Infiltration von Fluchtrouten und gezielte Desinformationskampagnen gegen ukrainische Flüchtlinge.

– Ukrainska Pravda, 03.01.2024: Der ukrainische Geheimdienst SBU berichtet über die Enttarnung mehrerer russischer Agenten, die sich unter dem Deckmantel ukrainischer Geflüchteter in EU-Staaten aufhielten. Dabei wurden u. a. Verbindungen zu den Besatzungsstrukturen in Mariupol und Luhansk festgestellt.

Einordnung:
Alle genannten Quellen bestätigen die im Artikel geschilderte Problematik: Russland nutzt Fluchtrouten, Mehrfachstaatsbürgerschaften, gezielte Desinformation und operative Agenten, um Europa zu destabilisieren – mit ukrainischen Papieren, aber russischer Agenda. Die Gefahr besteht weniger in der Masse der Flüchtlinge als in der gezielten Instrumentalisierung einzelner, gut getarnter Akteure. Ohne systematische Zusammenarbeit mit ukrainischen Sicherheitsdiensten bleibt die EU in diesem Bereich weitgehend blind.

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