Die USA übernehmen Stück für Stück die Welt – ohne Krieg, ohne Invasion, ohne Aufregung. Der neueste Fall heißt Grönland. Donald Trump verhandelt im Mai 2025 über ein sogenanntes COFA – ein Vertrag zur „freien Assoziation“. Klingt harmlos, ist aber ein politisches Raubtier mit Schlips und Siegel. Wer unterschreibt, kriegt Schutz – und verliert Kontrolle.
Was Trump da vorschlägt, ist nicht einfach ein Deal mit Dänemark. Es ist ein Angriff auf das Fundament der Weltordnung nach 1945: Keine Staatenübernahmen, keine Landkäufe, keine Imperien mehr. Doch Trump will zurück. Zurück zu Kanonenboot-Diplomatie mit Vertragstinte. Grönland wird zum Testfeld. Und COFA zur Blaupause.
Was ist COFA?
Eine „freie Assoziation“ mit den USA – so nennen sie das. In Wirklichkeit: ein Kolonialvertrag im 21. Jahrhundert. Mikronesien, Palau, die Marshallinseln haben ihn längst. Offiziell unabhängig. In Wahrheit: Militärbasen, amerikanisches Geld, amerikanisches Vetorecht. Souveränität auf dem Papier, Gehorsam in der Praxis. Kein Schuss, kein Blut – aber vollständige Kontrolle.
Warum Grönland?
Jetzt also Grönland. Und das ist nicht irgendein Eiland mit Pinguinen. Unter dem Eis liegen seltene Erden – die Metalle, die China gerade in Afrika aufkauft. Und über dem Eis: der GIUK-Korridor. Der klingt nach Brexit-Krimi, ist aber der wichtigste militärische Highway der Nordhalbkugel. Wer Grönland kontrolliert, kontrolliert den Atlantik – U-Boote, Kabel, Frühwarnsysteme, Raketenbahnen.
Grönland gehört formal zu Dänemark. Und damit zur NATO. Doch mit COFA umgehen die USA Europa. Sie umgehen Berlin, Paris, Brüssel. Und verhandeln direkt. Wenn Dänemark einknickt, haben die USA nicht nur eine neue Militärplattform – sie haben einen Hebel mitten im Bündnis. Ein COFA mit Grönland wäre ein Spaltkeil zwischen Amerika und Europa. Und niemand in der EU könnte es verhindern.
Die COFA-Falle
Denn der Trick an COFA ist: Es sieht aus wie Hilfe. Und ist am Ende Übernahme. Erst kommen die Dollars, dann die Soldaten, dann die politischen Bedingungen. Und wenn das Netz einmal liegt – Radare, Funkstationen, Geheimdienste – ist Rückzug nicht mehr möglich. Dann gehört dir zwar die Flagge. Aber nicht mehr das Land.
Ist das Annexion? Natürlich. Nur nicht mit Soldaten, sondern mit Verträgen. Nicht mit Gewalt, sondern mit Unterschriften. Und während Moskau und Peking noch „Referenden“ inszenieren, hat Washington längst gelernt, wie man Staaten freundlich übernimmt. Der Unterschied: Die USA brauchen keine Panzer – sie brauchen nur den besseren Vertragstext.
Grönland ist nur der Anfang
Und der Plan geht auf. Denn Grönland ist nicht das Ziel. Es ist der Testlauf. Wenn COFA funktioniert, dann kann Taiwan denselben Weg gehen – offiziell kein Staat, inoffiziell unter US-Schutz. Die Philippinen? Schon halb drin. Vielleicht bald auch Schweden oder Finnland – mit Sonderverträgen, die die NATO umgehen, aber amerikanische Präsenz garantieren.
Und jetzt kommt der Punkt, an dem Europa nervös werden sollte. Denn COFA ist das Modell einer neuen Geopolitik: Einfluss ohne Bündnis, Kontrolle ohne Krieg, Vormacht ohne Verantwortung. Kein Imperium im klassischen Sinn – aber ein Imperium mit USB-Kabel.
Und die Ukraine?
Die Ukraine ist das Gegenmodell. Das Land hat Nein gesagt. Nein zu Protektorat, Nein zu Sicherheitsgarantie gegen Souveränitätsverlust. Nein zu einem amerikanischen Halbbündnis. Nach 2014 hätte man der Ukraine ein COFA verkaufen können – Schutz gegen Selbstbestimmung. Die USA hätten Militärberater nach Odessa geschickt, Radare an der Grenze installiert, Dollars überwiesen. Und die Ukraine wäre zum Puffer geworden. Kein NATO-Mitglied, kein EU-Beitritt, aber auch keine russische Invasion. Stabilisiert, aber nicht frei.
Klingt gut? Nur oberflächlich. Denn dieser Weg hätte bedeutet: Kein echter Beitritt zu irgendwas. Kein Subjekt. Kein eigener Kurs. Sondern: strategische Immobilie.
Und genau das hat die Ukraine abgelehnt. Sie wollte nicht COFA, sie wollte nicht Neutralität, sie wollte nicht Sicherheit um den Preis des Schweigens. Sie wollte Würde. Und dafür hat sie bezahlt – mit Krieg, mit Blut, mit Zerstörung.
Die gefährlichste Entscheidung
Aber auch mit einem neuen Selbstverständnis: Die Ukraine ist nicht Grönland. Sie ist nicht käuflich. Nicht einzuordnen. Nicht zu befrieden mit Dollars oder Drohnen. Sie ist der Beweis, dass in dieser Welt ein Land Nein sagen kann – und dabei stehen bleibt.
Und das ist die eigentliche Bedrohung für die Weltordnung. Nicht, dass COFA kommt. Sondern dass ein Land wie die Ukraine den Mut hat, es nicht zu unterschreiben.
Denn wenn das Schule macht, wird es eng für die neuen Imperien. Dann reicht es nicht mehr, der „stärkere Beschützer“ zu sein. Dann zählt wieder, wer bereit ist, selbst zu stehen – ohne Vertrag, ohne Vasallenstatus, ohne Sicherheitsnetz.
Grönland mag in die Umlaufbahn der USA eintreten. Taiwan wird balancieren. Die Philippinen sich anlehnen. Aber die Ukraine ist schon gegangen. Allein. Und gerade deshalb ist sie der gefährlichste Präzedenzfall der Gegenwart. Nicht weil sie stark ist. Sondern weil sie sich nicht kaufen lässt.
Und vielleicht ist genau das der härteste Schlag für alle, die glauben, dass man heute keinen Krieg mehr führen muss, um zu gewinnen.
Man muss nur den Vertrag richtig schreiben.
Trump und Grönland
– The Guardian, Mai 2025: Bericht über mögliche Verhandlungen eines COFA-Vertrags mit Grönland durch die Trump-Administration
– BBC, Reuters, 2019: Trumps öffentliches Interesse am Kauf Grönlands
COFA – Compact of Free Association
– U.S. State Department: Offizielle Texte und Informationen zu bestehenden COFA-Verträgen mit Palau, Mikronesien, Marshallinseln
– Congressional Research Service (CRS), 2023/24: Analysen zur rechtlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Wirkung dieser Verträge
Strategische Bedeutung Grönlands
– NATO Defense College: Lageanalyse des GIUK-Gap (Greenland-Iceland-UK) als militärisches Schlüsselgebiet
– US Geological Survey (USGS): Untersuchungen zu seltenen Erden unter dem grönländischen Eis (z. B. Projekt Kvanefjeld)
– Dänische Regierung 2021: Blockade chinesischer Investitionspläne im grönländischen Bergbau
Ukraine 2014–2022: Sicherheitsoptionen und westliche Präsenz
– RAND Corporation: Szenarien westlicher Militärpräsenz und deren potenzielle Abschreckungswirkung gegenüber Russland
– Brookings Institution: Einschätzungen zur US-Ukraine-Beziehung nach der Krim-Annexion
– US-Ukraine Strategic Partnership Charter: Offizieller Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit
COFA als geopolitisches Werkzeug
– Center for Strategic and International Studies (CSIS), Center for a New American Security (CNAS): Analysen zu COFA und bilateralen Sicherheitsverträgen als Alternative zu klassischen Militärbündnissen
– Vergleich mit Chinas Belt-and-Road-Initiative als paralleler Mechanismus informeller Kontrolle
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Anmerkung:
Der Artikel basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen, politikwissenschaftlichen Analysen und offiziellen Vertragsdokumenten. Er verzichtet bewusst auf Spekulation, wo Fakten vorliegen – und benennt Szenarien dort, wo politische Entscheidungen noch ausstehen.