Scheinriesen in Uniform: Wie Russlands Banken tot sind – und trotzdem salutieren

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Verfasst von Watchdog

Juli 22, 2025

Man muss sich das vorstellen: Ein Finanzsystem, das keine Kredite vergibt, keine Wirtschaft finanziert, keine Innovation antreibt. Das aber stolz auf 1,5 Billionen Rubel „Gewinn“ verweist. Und dafür Applaus bekommt – aus der eigenen Echokammer. Willkommen in der russischen Bankenwelt 2025. Ein Trümmerhaufen im Frack. Außen solide, innen leer. Und alle tun so, als sei das normal.

Bloomberg hat es freundlich ausgedrückt: Mehrere systemrelevante Banken in Russland diskutieren intern über eine staatliche Rekapitalisierung. Übersetzt heißt das: Die Zahlen sind so mies, dass selbst die Top-Banker langsam Panik schieben. Herman Gref von der Sberbank warnt öffentlich vor harten Zeiten. Die VTB gibt schon 377 Milliarden Rubel an faulen Krediten zu. Und das ist die geschönte Version. Interne Schätzungen sprechen von bis zu 12 % notleidender Kredite in manchen Segmenten – aber sagen darf das niemand. Denn sobald die Wahrheit raus ist, bricht die Kette. Also wird gefälscht, geschoben, umetikettiert. Man nennt es „Restrukturierung“. In Wahrheit ist es ein Totenschein im Bleistiftformat.

Und während draußen Krieg herrscht, brennt drinnen die Bilanz. Aber das Regime weiß sich zu helfen. Es greift zum ältesten Trick der Autokratie: Täuschung durch Struktur. Man lässt die Banken Schulden des Staates kaufen, zahlt ihnen dafür hohe Zinsen, und bucht das dann als Gewinn. Das ist keine Wirtschaft, das ist Inzest. Ein System, das sich selbst befruchtet, um weiter existieren zu dürfen. Die Zentralbank zwingt die Institute in russische Staatsanleihen, hält die Leitzinsen bei fast 20 % und behauptet gleichzeitig, die Lage sei stabil. Natürlich ist sie das – solange niemand das Licht anschaltet.

60 % der Sberbank-Gewinne stammen 2024 nicht aus Kreditvergabe, nicht aus Wachstum, nicht aus unternehmerischer Tätigkeit. Sondern aus „Operationen mit Staatsanleihen“. Das ist, als würde ein Schlachter sich dafür feiern lassen, dass er jeden Tag seine eigene Leber wiegt. Und das Publikum klatscht. Weil es nicht weiß, was es sieht – oder nicht sehen will.

Aber der Putz beginnt zu bröckeln. Denn die echten Probleme lassen sich nicht ewig verstecken. Die Kreditausfälle häufen sich. Der Mittelstand bekommt kein Geld mehr. Die Banken blockieren Finanzierungen, weil sie wissen, dass sie sich keine weiteren Risiken leisten können. Das Geld fließt nur noch in den militärisch-industriellen Komplex oder in den Schoß der Staatskonzerne. Wer klein ist, geht leer aus. Wer unabhängig ist, ist gefährlich. Und wer arm ist, wird zum Schuldner auf Lebenszeit.

Jeder fünfte Kreditnehmer in Russland lebt bereits im Zustand der Dauerumschuldung. Neue Mikrokredite, um alte Mikrokredite zu bedienen. Eine Gesellschaft, die in Ketten marschiert – nicht aus Zwang, sondern aus Überschuldung. Die Inflation frisst die Kaufkraft, aber die offiziellen Zahlen lügen dagegen an. Die Investitionen sind tot. Kein Kapital fließt mehr in die Zukunft – alles wird verbrannt für die Gegenwart des Krieges. Banken, die keine Kredite vergeben, sondern Haushaltslöcher stopfen, sind keine Banken. Sie sind Handlanger eines Ertrinkenden.

Und wenn der Ertrinkende auch noch eine Armee hat, dann wird daraus kein Hilferuf, sondern ein Sog. Die Zentralbank bereitet nun vor, was sie selbst „Makroprudenziellen Kapitalpuffer“ nennt: Die Banken dürfen offiziell mit zu wenig Eigenkapital arbeiten, solange sie so tun, als sei alles okay. Das ist keine Vorsichtsmaßnahme – das ist ein Totalausfall mit Erlaubnisschein. Ein medizinischer Ausnahmezustand im System, der nicht mehr kurieren, sondern nur noch kaschieren soll. Dasselbe hat man 2008 gemacht. 2014. 2017. Jetzt wieder. Aber diesmal ist keine Erholung in Sicht. Keine Rückkehr zur Normalität. Weil es keine mehr gibt.

Russland hat sich selbst vom globalen Finanzsystem abgekoppelt. Der Krieg frisst Geld, Ressourcen, Vertrauen. Die Wirtschaft schrumpft, der Schwarzmarkt wächst, der Staat klaut sich durch. Es gibt keine Kreditwürdigkeit mehr – nur noch Loyalität. Wer regimetreu ist, bekommt Liquidität. Wer nicht dazugehört, stirbt still. Die Bank als Waffe. Der Rubel als Maulkorb.

Und all das passiert in einem Land, das weiterhin behauptet, es sei souverän, stabil und unabhängig. In Wahrheit ist es längst eine Geisel der eigenen Konstruktion. Ein Land, das sein Bankensystem zur Kriegsmaschine umfunktioniert hat. Nicht zum Aufbau. Sondern zur Abwicklung. Die Banken existieren nur noch, um den Krieg zu finanzieren, den das Land eigentlich gar nicht mehr führen kann. Alles andere ist Kulisse.

Und doch wird es weitergehen. Natürlich. Die Bevölkerung wird weniger essen, sich weniger leisten, weniger reden – aber niemals die Macht infrage stellen. Denn wer hungrig ist, glaubt an Schuld. Und Schuldige findet das Regime immer. NATO. USA. Sanktionen. Juden. Der Westen. Die Liste ist lang, die Wahrheit kurz. Und die Krise längst da.

Es wird nicht mit einem Knall enden. Sondern mit einem Loch im Fundament. Die Farce von 2024 war der letzte Putz auf dem Sarkophag. Jetzt reicht ein Riss – und das ganze Ding bricht auf. Vielleicht ein externer Schock. Vielleicht ein interner Streit. Vielleicht bloß ein Datum. Dann fällt das Ganze in sich zusammen. Lautlos. Würdelos. Erwartbar.

Und wir? Wir sitzen längst in der ersten Reihe. Ohne Ticket. Ohne Ausrede. Ohne Distanz.

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— Trollhunter

Quellen und Einordnung:

Bloomberg berichtet im Juli 2025 über bevorstehende Rekapitalisierungen mehrerer systemrelevanter russischer Banken. Die Sberbank und VTB bestätigen offiziell steigende Anteile fauler Kredite. Unabhängige russische Ökonomen wie Mironow und Movchan warnen seit Monaten vor massiver Überschuldung im Privatsektor. Die Zentralbank kündigte an, makroprudenzielle Puffer freizugeben, um Kapitalanforderungen zu lockern. Zahlreiche russische Branchenberichte zeigen: Die gemeldeten Gewinne basieren überwiegend auf Zinserträgen aus Staatsanleihen – nicht auf realem Kreditgeschäft.

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