Moskau wollte wieder mal die Welt täuschen. Eine Delegation fliegt nach Addis Abeba, inszeniert Verhandlungen mit Ethiopian Airlines, suggeriert: Afrika hilft uns, die Luftfahrt lebt, alles läuft. Nur dass die Realität das Skript nicht mitspielt. Ethiopian Airlines hat keine überzähligen Maschinen, keine strategische Naivität – und keinen Nerv, sich von einem abstürzenden Regime ins eigene Fahrwerk reißen zu lassen.
Was im russischen Telegram-Kosmos als Flugzeugsegen verkauft wurde, ist in Wahrheit ein Notruf ohne Antwort. Ethiopian hat noch etwa 20 bis 25 ältere 737-700 und -800 im Bestand – gebraucht, betagt, aber essenziell. Die Hälfte davon fliegt Inlandsrouten, die andere hält das ostafrikanische Streckennetz zusammen. Wer glaubt, man könne fünf davon einfach mal so an Russland durchreichen, hat keine Ahnung, wie Afrika funktioniert. Mehr als drei Maschinen abzugeben, wäre wirtschaftlicher Selbstmord. Mehr als fünf? Der freiwillige Rückzug aus der Region.
Und genau deshalb kam der Dämpfer, der im Kreml als Demütigung registriert wurde: Ethiopian Airlines dementiert öffentlich. Kein Deal. Kein Leasing. Kein Kontakt. CEO Mesfin Tasew erklärte auf offener Bühne: „Diese Berichte sind vollständig falsch.“ Keine Zusammenarbeit. Kein Interesse. Kein Risiko für ein paar Rubel. Die äthiopische Luftfahrtbehörde ECAA schweigt demonstrativ. Nicht ein einziger Satz auf der Website. Das ist keine diplomatische Zurückhaltung. Das ist kaltes, öffentliches Ghosting.
Dabei wäre der Deal für Russland überlebenswichtig gewesen. Der Zustand der russischen Luftfahrt ist desaströs. Schon im März 2025 musste Dmitri Jadrow, Chef der Luftfahrtbehörde, einräumen: 58 Flugzeuge wurden stillgelegt – nicht wegen Alter, sondern wegen Teilemangel. Ersatzteile? Blockiert. Wartung? Unmöglich. Technik? Zerfällt. Und das ist nur der Anfang. Bis Jahresende könnten über 100 Maschinen aus dem Verkehr gezogen werden. Nicht durch Bomben, sondern durch Bürokratie – durch Sanktionen, die greifen, weil der Westen gelernt hat, wie Kontrolle wirklich aussieht.
„End-User-Kontrolle“ heißt das Prinzip. Kein Teil, keine Schraube, kein Cockpit-Bildschirm darf verkauft werden, wenn der tatsächliche Empfänger Russland ist. Auch nicht über Drittfirmen. Auch nicht über Tarnimporte. Jede Lieferkette endet an derselben Stelle: beim Eintrag, wer das Teil am Ende benutzt. Und wenn dort „Moskau“ steht, steht alles still.
Das ist keine Symbolpolitik. Das ist technische Hinrichtung. Russische Airlines leben mittlerweile vom Ausschlachten ihrer eigenen Flotte. Eine Maschine wird stillgelegt, damit zwei andere noch ein paar Wochen durchhalten. Sicherheitsstandards sinken. Zwischenfälle häufen sich. Jeder Flug wird zur statistischen Wette. Und die Reparaturindustrie, auf die man so lange stolz war, gibt es nicht mehr. Sie war nie autark. Sie war immer nur abhängig – von genau den Systemen, die man jetzt bekämpft.
Deshalb diese verzweifelten Versuche, irgendwo auf dem Globus einen Deal zu landen. Irgendeine Airline, irgendein Staat, irgendeine Behörde, die bereit ist, ein Flugzeug abzugeben – und damit ihre Zukunft. Doch was Moskau bekommt, sind keine Zusagen, sondern kalte Blicke. Selbst neutrale Länder wie Äthiopien winken ab. Nicht aus Feindseligkeit. Sondern aus Selbstachtung.
Wer heute mit Moskau kooperiert, bekommt keine Aufträge. Er bekommt Reputationsschäden. Sanktionen. Unsichtbare Listen. Und irgendwann keine Teile mehr für die eigene Flotte. Ethiopian hat das verstanden – und genau deshalb gehandelt. Keine Haltung. Kein Pathos. Einfach eine nüchterne Analyse: Wer mit Russland fliegt, fliegt ins Risiko.
Moskau nennt es Wet-Leasing. Der Rest der Welt nennt es: Erpressung auf Kredit. Flugzeuge westlicher Bauart, betrieben von ausländischen Airlines, mit ausländischem Personal, mit ausländischer Wartung – und russischer Kontrolle. Das ist kein Geschäftsmodell. Das ist die letzte Stufe vor dem Absturz. Und genau deshalb hat Ethiopian Airlines den Stecker gezogen, bevor der Deal überhaupt als solcher existieren konnte.
Zurück bleibt ein Regime, das über elf Zeitzonen hinweg keine einsatzfähige Luftflotte mehr betreiben kann. Ein Staat, der sich mit Ersatzteilen aus Drittländern versorgt, die ihn selbst meiden. Und eine Öffentlichkeit, die langsam begreift, dass man Flugzeuge nicht mit Propaganda am Leben hält.
Was der Kreml als diplomatischen Erfolg verkaufen wollte, endet als Präzedenzfall. Wenn selbst ein afrikanischer Carrier mit engen Wirtschaftsinteressen Moskau öffentlich abblitzen lässt, dann wird es eng – nicht nur im Maschinenraum, sondern auf der Landkarte. Denn jede Airline, die nachzieht, wird künftig dieselbe Rechnung aufmachen: Kooperation mit Russland ist kein Geschäft. Es ist ein Reputationsrisiko mit internationaler Sprengkraft.
Und genau deshalb ist dieser Fall mehr als ein Einzelfall. Er ist ein Marker. Ein Kipppunkt. Ein öffentliches Nein an ein Regime, das glaubt, die Welt drehe sich noch um Moskaus Bedarf.
Russlands Luftfahrt stirbt. Nicht im Gefecht. Sondern im Büro. In der Logistik. Im Wartungsprotokoll. Und niemand – wirklich niemand – reicht die Hand.
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— Trollhunter
Quellen und Einordnung:
Ethiopian Airlines hat auf einer offiziellen Pressekonferenz ausdrücklich erklärt, dass es keine Vereinbarung mit russischen Fluggesellschaften gibt – weder Leasing noch Wartung noch Teilelieferung. Die Zahl von aktuell rund 20–25 älteren Boeing-737 bei Ethiopian stammt aus öffentlich zugänglichen Flottendatenbanken. Die Behauptung, Russland habe sich Flugzeuge aus Afrika besorgt, wurde zuerst von russischen Kanälen verbreitet – kurz darauf löschte die äthiopische Luftfahrtbehörde ihren eigenen Beitrag zu einem Treffen mit der russischen Delegation wieder. Auch das spricht für politischen Druck oder gezieltes Abrücken. Die Zahl von 58 stillgelegten russischen Flugzeugen wurde im März 2025 vom Chef der russischen Luftfahrtbehörde selbst genannt. Und was die Ersatzteile angeht: Airbus und Boeing setzen End-User-Kontrollen durch – weltweit. Wer nach Russland liefert, riskiert Sanktionen. Auch über Drittländer.