Rumänien am Abgrund: Zwischen EU-Zukunft und Budapester Backpfeife

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Verfasst von Watchdog

Mai 7, 2025

In Rumänien wird gerade Geschichte geschrieben – und keiner in Westeuropa merkt’s. Was in Bukarest passiert, betrifft auch Berlin. Rumänien ist nicht nur EU-Mitglied und NATO-Außenposten, sondern eine der letzten festen Brücken zur Ukraine im Süden. Wenn diese Brücke fällt, fällt auch die europäische Linie im Krieg gegen Russland. Moskau hat das längst erkannt. Deshalb hat der Kreml nicht gekleckert, sondern geklotzt: TikTok-Fluten, rechte Influencer, Cyberangriffe, gekaufte Kandidaten, Desinformationskampagnen im Stil von „Gerechtigkeit fürs Volk“ – das ganze Arsenal hybrider Kriegsführung. Alles mit einem Ziel: die rumänische Demokratie von innen knacken. Doch Rumänien hat zurückgeschlagen. Noch.

Simion: TikTok-Star und Türöffner für den Kreml

George Simion – Führer der ultrarechten AUR-Partei, TikTok-Star der rumänischen Rechten, erklärter Trump-Fan – hat im ersten Wahlgang über 40 % geholt. Ein Mann, der sich selbst als Volkstribun inszeniert, in Wahrheit aber nichts anderes ist als ein Einfallstor für russischen Einfluss. Er nennt Putin zwar einen Kriegsverbrecher, lehnt aber Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Er spricht von Frieden, meint aber Kapitulation. Er wettert gegen Brüssel, hetzt gegen Minderheiten, will Patriot-Raketen zurückholen, Getreidetransporte stoppen, und er droht ganz offen damit, den prorussischen Kalin Georgescu zurück an die Macht zu holen – denselben Kandidaten, dessen Wahl vom rumänischen Verfassungsgericht wegen russischer Einflussnahme annulliert wurde. Wer Simion wählt, bekommt keinen Wandel, sondern ein Belarus mit Dacia-Werbung.

Die Alternative: ein Reformer, kein Russland-Freund

Sein Gegner in der Stichwahl: Nicușor Dan, Bürgermeister von Bukarest, zentristisch, proeuropäisch, Unterstützer der Ukraine. Kein Heiliger, aber einer, der Moskau nicht auf dem Schoß sitzt. Und das ist in Zeiten wie diesen schon fast revolutionär. Der Kreml hatte andere Pläne. Der Traum: ein Durchmarsch für Simion und Georgescu, abgesichert durch digitale Nebelkerzen und billige Narrative. Und als die Umfragen nicht reichten, kamen die Angriffe: Hackergruppe NoName057(16) legte die Webseiten von Innenministerium, Justiz und Antonescus Wahlstab lahm. Gelernt in Moldau, Italien, Frankreich, Deutschland. Doch Rumänien stand. Noch am selben Tag waren die Seiten wieder online. Die Wahlbeteiligung lag bei 43,44 % – deutlich mehr als bei der annullierten Wahl im Herbst. Und was die prorussischen Strategen besonders fuchsen dürfte: Exakt 973.114 Rumänen stimmten im Ausland ab, ein neuer Rekord für die erste Runde einer Präsidentschaftswahl. Besonders stark war die Beteiligung in Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien. Die Stimmen von außen könnten diesmal das Zünglein an der Waage sein. Diaspora gegen Desinformation.

Doppelte Botschaften, klares Ziel

Simion selbst spielt das Spiel der Doppeldeutigkeiten wie ein Profi. Auf X bedankt er sich „für den Akt des Mutes“, spricht von „Solidarität“ und „Vertrauen“, redet von Würde und Identität. Und während er Putin verbal kritisiert, stellt er sich inhaltlich an seine Seite: keine Waffen für Kiew, keine Unterstützung für die Ukraine, keine Konfrontation mit Moskau. Stattdessen: Trump-Zitate, Deeskalationsrhetorik und die Hoffnung auf einen Friedensplan aus Florida. Als ob Putin auf Trump warten würde. Als ob Russland Frieden will.

Gefahr für Europa – nicht nur für Rumänien

Besonders gefährlich: Simions Einfluss reicht tief in die Sicherheitsarchitektur. Sollte er Präsident werden, kann er Waffenlieferungen blockieren, strategische Entscheidungen verzögern und die rumänische Unterstützung für die Ukraine de facto auf null setzen. Und das wäre kein innenpolitisches Problem. Das wäre ein sicherheitspolitischer Blackout für ganz Europa. Denn Rumänien ist mehr als ein Randstaat. 70 % des ukrainischen Getreides gehen über rumänische Gewässer nach Istanbul. Die Marine räumt Minen. Die Luftwaffe bildet ukrainische Piloten auf F-16 aus. Wer das kappt, kappt eine zentrale Lebensader im Krieg gegen Russland.

AUR: Die Tarnkappe des Kremls im Trachtenhemd

Und es kommt noch dicker. Simions Partei AUR wettert nicht nur gegen die Ukraine, sondern leugnet auch die Souveränität ihrer westlichen Gebiete. Parteigranden sprechen offen davon, ukrainisches Territorium zu „integrieren“, weil „Rumänien sich sonst nicht entfalten“ könne. Klingt wie Putin? Ist es auch. Der Trick ist nur: hier kommt es im Volkstrachten-Look. Mit Heimat, Familie, Nation. Es sind dieselben Narrative, nur mit anderen Symbolen. Und das macht es so gefährlich.

Die Blaupause kennen wir längst

Was in Rumänien gerade passiert, kennen wir. Rechte Scheinpatrioten, die mit russischen Narrativen flirten, Waffenlieferungen stoppen wollen und sich dabei als Hüter der Souveränität inszenieren. Auch in Deutschland gibt’s solche Gesichter. Nur mit weniger TikTok und mehr Bundestagsdiäten. Doch der Mechanismus ist derselbe: Der Kreml unterwandert keine Staaten mit Panzern, sondern mit Populisten. Mit Frust. Mit digitalen Schleusen, durch die jahrzehntelang gepflegte Demokratien plötzlich kippen.

Dreifachblock im EU-Kern?

Die EU steht am Rand eines Dominoeffekts. Ungarn ist weg. Die Slowakei wankt. Wenn Rumänien kippt, hat Moskau eine neue Achse im Herzen Europas – ganz legal, ganz demokratisch, ganz ohne einen Schuss. Und wer dann noch davon redet, man müsse „alle Meinungen aushalten“, hat die Spielregeln längst nicht mehr verstanden. Das Fenster ist noch offen. Aber es schließt sich schnell. Wenn Simion gewinnt, ist nicht nur Bukarest betroffen. Dann fliegt die US-Basis. Dann fliegen die Super Eagles – die 101. Airborne Division – gleich mit. Dann steht Russland am Donauknie. Und keiner kann mehr sagen, er hätte es nicht kommen sehen.

Hintergrundquellen zum Artikel

1. Ergebnisse der ersten Wahlrunde: George Simion (AUR) erhielt rund 41 %, Nicușor Dan (unabhängig) 20,99 %. Das wurde am 4. Mai 2025 offiziell durch die rumänische Wahlbehörde AEP bekanntgegeben und von internationalen Agenturen bestätigt.
2. Disqualifikation von Călin Georgescu: Der frühere Präsidentschaftskandidat wurde 2024 durch den Verfassungsgerichtshof von der Wahl ausgeschlossen. Grund: russische Einflussnahme auf seine Kampagne. Der Fall war Präzedenz – erstmals wurde ein Wahlergebnis wegen hybrider Einmischung annulliert.
3. Cyberangriffe am Wahltag: Am 4. Mai 2025 wurden mehrere Webseiten der rumänischen Regierung (Innenministerium, Justizministerium, Wahlbehörde) durch DDoS-Attacken der prorussischen Hackergruppe NoName057(16) lahmgelegt. Das Muster entspricht bekannten Eingriffen in Moldau, Frankreich, Deutschland und Italien.
4. Wahlbeteiligung & Diaspora: Die offizielle Wahlbeteiligung lag bei 43,44 %. Im Ausland wurden exakt 973.114 Stimmen abgegeben – ein Rekord für eine erste Runde. Hauptwahlzentren der Diaspora lagen in Italien, Deutschland, Spanien, UK und Frankreich.
5. Positionierung Simions: George Simion hat sich öffentlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, fordert eine „Deeskalation nach Trump-Vorbild“, lehnt Patriot-Lieferungen ab und forderte die Rückgabe ukrainischer Gebiete an Rumänien. AUR organisierte mehrfach Blockaden an der ukrainisch-rumänischen Grenze.
6. Bedeutung Rumäniens im Krieg: Rumänien sichert 70 % des ukrainischen Getreideexports über das Schwarze Meer ab, räumt Minen, bildet ukrainische F-16-Piloten aus und betreibt koordinierte NATO-Luftüberwachung. Präsident und Nationaler Sicherheitsrat können jede dieser Maßnahmen blockieren – bei Wahlsieg Simions ist das realistisch.
7. AUR und russische Narrative: Die AUR-Partei vertritt offen nationalistische, euroskeptische und antiukrainische Positionen, spricht von „verlorenen rumänischen Gebieten“ und bedient seit 2023 immer häufiger Narrative, die aus russischen Desinformationskampagnen bekannt sind – darunter „Krieg nützt nur den Eliten“, „Rumänien wird ausgebeutet“, „Kiew ist korrupt“.


Das alles ist öffentlich belegt, wurde zwischen 2022 und 2025 von der Wahlbehörde AEP, rumänischen Leitmedien (z. B. G4Media, Digi24), internationalen Agenturen, Politico, Le Monde und Cyberanalyse-Plattformen dokumentiert.

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