Während Europa über Waffen diskutiert, führt Frankreich längst Krieg. Unsichtbar, aber unerbittlich. Kein Frontverlauf, keine Granaten – nur Datenbanken, Visaformulare und eine verdammt wache Spionageabwehr. Und das ist auch bitter nötig. Denn während Russland im Osten tötet, versucht es im Westen wieder einzuschleichen. Getarnt als Künstler, Diplomaten, Influencer – aber mit derselben alten Mission: destabilisieren, vergiften, unterwandern.
Die französische Inlandsgeheimdienst DGSI – die französische Version des Verfassungsschutzes, nur mit weniger Faxgeräten – hat nach dem 24. Februar 2022 zugeschlagen. 55 russische „Diplomaten“ flogen raus. Man könnte auch sagen: die Pariser Außenstelle des russischen Militärgeheimdienstes GRU wurde geschlossen – aus Mangel an diplomatischer Tarnung.
Die neuen Agenten kommen mit Laptop, nicht mit Koffer
Aber der Kreml kennt kein Aufgeben. Also kamen sie zurück. Leise. Hinterrücks. Im Schlepptau von „Wissenschaftlern“, „Festivalteilnehmern“, „Verwandten von Botschaftspersonal“. Manche nannten sich Journalisten – natürlich mit Ausweis vom Propagandablatt Komsomolskaja Prawda. Und Paris? Hat dichtgemacht. Seit April 2022 wurden über 1.200 russische Visa-Anträge abgelehnt. Mehr als 350 dieser Anträge zielten direkt auf Frankreich – der Rest wollte mit dem Schengen-Ticket bequem durch Europa spazieren. Alte Spionage, neues Layout.
Offiziell traten sie auf als Intellektuelle, Kulturschaffende, NGO-Vertreter. In Wirklichkeit war das der nächste Agentenschwarm im Aufbau. Besonders auffällig: junge Männer unter 30, angeblich auf ihrem ersten Auslandseinsatz. Die französische Gegenspionage kennt die Muster. Und sie weiß, was auf dem Spiel steht. Denn wer Paris infiltriert, hat Zugang zu NATO-Daten, internationalen Organisationen – und zu einem der sensibelsten kulturellen Nervenzentren Europas.
UNESCO unter Beobachtung
Ein Sonderfokus liegt dabei auf der UNESCO, dem perfekten Biotop für Moskaus Undercover-Diplomatie. Seit 2022 wird jede russische Personalentscheidung bei der UNESCO in Paris überprüft – auf Verbindungen zur Spionageakademie. Wer rein will, muss durch. Und viele bleiben hängen.
Operation „Sturm-1516“: Lügen im Datenstrom
Doch Moskau hat längst einen zweiten Frontverlauf eröffnet – online, manipulativ, mit künstlicher Intelligenz. Zwischen Dezember 2024 und März 2025 lief die russische Operation „Sturm-1516“. Fünf groß inszenierte Fakes, verbreitet über 38.877 Postings, die zusammen 56 Millionen Views sammelten. Ziel: Misstrauen säen, die Ukraine delegitimieren, Frankreich spalten. Und ja – es war so plump wie effektiv.
Beispiele gefällig? Ein frei erfundenes Geständnis eines angeblichen Studenten Brigitte Macrons über sexuellen Missbrauch. Oder die Story, Selenskyj habe mit westlicher Militärhilfe eine französische Bank gekauft. Typische Kreml-Logik: dreist lügen, dann zuschauen, wie’s sich verselbstständigt.
Influencer, TikTok und die schöne heile Welt
Parallel läuft eine zweite Kampflinie: TikTok-Accounts mit lächelnden Ukrainerinnen in hippen Cafés, entspannte Straßenszenen aus Kyjiw, schöne Menschen, schönes Licht. Und in den Kommentaren? „Wo ist da Krieg?“, „Wieso helfen wir diesen Betrügern?“, „Selenskyj ist Milliardär“. Das ist kein Zufall. Das ist Hybridkrieg auf dem Rücken junger Frauen. Gekauftes Lächeln, gestreuter Zweifel, manipulierte Wahrnehmung.
Der Le-Monde-Skandal: Frankreichs Influencer auf Kreml-Linie
Und dann kam der Skandal von Le Monde: Im Dezember 2024 deckte die Zeitung auf, dass neun französische Influencer systematisch pro-russische Inhalte verbreiteten. Und zwar gegen Bezahlung. Aus „nicht näher bekannten Quellen“. Klar. Ganz zufällig. Ganz unabhängig. Einige sprachen plötzlich von „friedlicher Lösung“, andere vom „humanitären Leid im Donbass“, wieder andere verbreiteten schlicht die russische Lesart des Kriegs. Alles hübsch verpackt als „alternative Perspektive“.
Dazu der ganze Rattenschwanz: Hetze gegen die EU, gegen die USA, gegen die „Russophobie“. Die ukrainische Armee? „Neonazistisch“. Die westlichen Medien? „Zensiert“. Und wer das alles organisiert und bezahlt hat? Keine Ahnung. Wirklich nicht. Also fast nicht.
Frankreich hat es kapiert
Und dann? Kommt der Moment, wo man selbst überrascht ist. Von Frankreich. Von seiner Spionageabwehr. Denn offenbar haben sie kapiert, dass dieser Krieg längst nicht mehr mit Uniform und Pistole geführt wird. Sondern mit Kamera, Hashtags und Kulturprogramm. Der moderne russische Agent kommt nicht im Trenchcoat – sondern als Journalist, TikToker oder Ehemann einer Diplomatin. Willkommen im Zeitalter der getarnten Schwärme.
Frankreich ist damit das erste EU-Land, das Moskaus neue Spionageform erkennt – und entschlossen reagiert. Kein Spektakel, kein Alarmismus. Sondern eine Mischung aus Technologie, Diplomatie, Sicherheitslogik und kultureller Souveränität. Paris antwortet nicht mit lautem Knall, sondern mit stiller Blockade.
Haben sie Putins Dienste damit besiegt? Noch nicht. Aber sie haben den Mechanismus durchschaut. Sie haben das Tor verriegelt. Und sie wissen, dass der Feind längst in der Kommentarspalte sitzt.
Die Frage ist nur: Sind auch andere Länder bereit, das Ausmaß dieser neuen Infiltration zu erkennen? Oder wachen sie erst auf, wenn der Feind schon die Reichweite hat?
Ich hol mir Popcorn.
1. Visa-Blockade Frankreichs: Seit dem 24. Februar 2022 hat Frankreich über 1.200 Visaanträge russischer Staatsbürger abgelehnt, darunter über 350 Personen, die dauerhaft in Frankreich bleiben wollten. Begründung laut französischem Innenministerium: Verdacht auf Spionagetätigkeit unter diplomatischer, akademischer oder kultureller Tarnung. Betroffen waren u. a. angebliche Journalisten der „Komsomolskaja Prawda“, Vertreter internationaler Organisationen mit Immunitätsstatus sowie junge Absolventen russischer Spionageakademien.
2. DGSI-Aktivitäten: Die französische Inlandsgeheimdienstbehörde Direction Générale de la Sécurité Intérieure (DGSI) filtert seit 2022 gemeinsam mit dem Außenministerium und NATO-Partnerdiensten Visa-Anträge, Personalbewegungen bei internationalen Organisationen (z. B. UNESCO Paris) sowie russische „Kulturprojekte“. Alle russischen Personalvorschläge bei der UNESCO werden systematisch auf Geheimdienstverbindungen überprüft.
3. Operation „Sturm-1516“: Zwischen Dezember 2024 und März 2025 verbreitete eine vom Kreml gesteuerte Online-Operation mit dem Codenamen „Sturm-1516“ mindestens 5 zentrale Falschmeldungen in über 38.000 Social-Media-Beiträgen, die insgesamt fast 56 Millionen Aufrufe erzielten. Die Kampagne nutzte automatisierte Tools mit KI-Elementen, um anti-ukrainische und antiwestliche Narrative in französischsprachige Zielgruppen zu schleusen.
4. Le Monde-Recherche Dezember 2024: Die französische Tageszeitung Le Monde deckte im Dezember 2024 auf, dass neun französische Influencer systematisch prorussische Inhalte verbreitet hatten. Die Themen reichten von angeblichen Kriegsverbrechen der Ukraine über „verhandlungsbereite Separatisten“ bis hin zu verschwörungstheoretischen Angriffen auf EU-Medienpolitik. Die Bezahlung erfolgte laut Le Monde über intransparente Zwischenstellen – vermutet wurden staatlich gelenkte russische Netzwerke.
5. Ziel der Kampagne: Die zentralen Narrative: „Ukraine ist korrupt“, „Zelensky kauft Banken“, „Frankreich finanziert einen Krieg gegen seine Interessen“, „es gibt gar keinen Krieg in Kyjiw“, „die Medien lügen“. Besonders perfide: der Einsatz scheinbar privater TikTok-Accounts mit ukrainischem Content, die über Kommentare und Bots gezielt Zweifel streuten. Auch die sexualisierte Desinformation gegen Brigitte Macron gehörte zur Operation.
6. Frankreichs Strategie: Anstatt öffentlich zu poltern, setzt Frankreich auf eine Mischung aus visumrechtlichen Maßnahmen, kultureller Selektion, algorithmischer Analyse, transatlantischem Datenabgleich und einer stillen, aber systematischen Filterpolitik – besonders im kulturellen, diplomatischen und akademischen Bereich.