Orbán baut eine Öl-Pipeline mit Russland. 300 Kilometer durch Ungarn und Serbien, 5 Millionen Tonnen pro Jahr. Bezahlt von Ungarn, verlegt mit Russland, durchgewinkt von Brüssel – weil dort keiner mehr den Unterschied kennt zwischen Mitgliedsstaat und Maulwurf.
Offiziell verkündet, offen verhandelt, stolz präsentiert: Außenminister Szijjártó spricht nicht von Notlösungen oder Zwängen, sondern von strategischer Entscheidung. Während die EU versucht, sich von russischer Energie zu lösen, erklärt Budapest: Wir wollen mehr. Mehr Öl. Mehr Gas. Mehr Russland. Und bitte schneller.
Wer das für eine schräge Einzelaktion hält, hat die letzten drei Jahre verschlafen. Ungarn ist nicht der Ausreißer in der Herde – Ungarn ist das trojanische Pferd im Zentrum. Blockade bei jedem Sanktionspaket, Veto gegen Ukrainehilfen, Dauergejammer über Energiepreise – und jedes Mal kommt danach ein neuer Vertrag mit dem Kreml. Erst wird gebremst, dann wird gepokert, dann wird kassiert. Das ist kein Abweichen von der EU-Linie. Das ist ein Geschäftsmodell.
Und Brüssel? Zahlt weiter Milliarden aus dem Kohäsionsfonds, verhandelt Kompromisse, hofft auf Einsicht. Während Orbán die Hand hebt – nicht zum Gruß, sondern zum Stopp. Immer wenn es gerade wieder um Waffen für Kiew, Strafmaßnahmen gegen Moskau oder strategische Einigkeit geht, steht plötzlich Budapest quer in der Tür. Nicht weil es muss. Sondern weil es kann.
Diese Pipeline ist kein Infrastrukturprojekt. Sie ist ein politisches Symbol. Ein 300 Kilometer langer Mittelfinger Richtung Brüssel. Verbunden mit russischem Rohöl und serbischem Beton. Und mit dem stillen Einverständnis einer Union, die nicht mehr weiß, wie man Nein sagt – außer zu sich selbst.
Szijjártó nennt Brüssels Russland-Politik „katastrophal“. Kovács lobt die Kooperation mit Moskau. Orbán spricht von nationaler Souveränität, meint aber: Ich mache, was ich will, und ihr könnt mich nicht aufhalten. Damit hat er recht. Einstimmigkeit schützt ihn. Energienot schützt ihn. Feigheit schützt ihn. Er ist der Garant dafür, dass Russland immer noch einen Fuß in der Tür hat – ganz legal, ganz offiziell, ganz europäisch.
Denn solange Ungarn EU-Mitglied bleibt, bleibt der Kreml am Tisch. Mit Stimmrecht. Mit Einfluss. Mit Veto. Solange das so ist, kann Europa nicht glaubwürdig gegen Russland vorgehen – weil Russland längst mit drin sitzt. In Százhalombatta, in Novi Sad, in Budapest, im Ministerrat.
Die EU hat keine Ungarn-Strategie. Sie hat nur eine Hoffnung: dass Orbán irgendwann von selbst die Lust verliert. Doch das wird nicht passieren. Er hat alles, was er braucht. Russische Energie, europäisches Geld, serbische Durchleitungsrechte und ein Abstimmungsrecht, das ihn unkündbar macht. Mehr Macht für weniger Haltung gibt’s sonst nur bei Gazprom.
Und je länger das so bleibt, desto klarer wird: Der Schaden kommt nicht durch die Pipeline. Der Schaden ist das System, das sie möglich macht. Man kann sich über Belarus empören, über China sorgen, über Russland aufrüsten – aber wenn man nicht mal mit einem Land wie Ungarn fertig wird, braucht man über geopolitische Stärke gar nicht erst reden.
Orbán liefert Öl für Rubel, Veto für Einfluss, Nationalpathos für Wähler – und Brüssel liefert Beihilfen, Ausnahmen und ein ewiges Vielleicht. Das ist kein Interessenkonflikt. Das ist ein Verrat mit System. Das Einzige, was noch fehlt, ist die offizielle Einladung an Lukaschenko, demnächst auch ein bisschen mitzuentscheiden.
Europa steht da, wo es immer steht, wenn es ernst wird: in der Warteschleife. Die Pipeline kommt trotzdem. Mit Putins Segen, Orbáns Unterschrift – und stillschweigender Genehmigung aus Brüssel.
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— Trollhunter
Quellen und Einordnung:
Offizielle Erklärungen von Péter Szijjártó und Zoltán Kovács vom 21. Juli, Angaben der ungarischen und serbischen Regierung zum Pipeline-Projekt, Berichte der russischen Nachrichtenagentur TASS, frühere ungarische Veto-Drohungen gegen EU-Sanktionen und Ukrainehilfen.