Russland baut sich eine neue Goldader – nicht in Sibirien, sondern in Westafrika. In Mali entsteht gerade eine Raffinerie mit 200 Tonnen Jahreskapazität. Offiziell für malisches Gold. Inoffiziell: für alles, was sich als „nicht russisch“ ausgeben lässt. Kontrolliert von einem russischen Regionalpolitiker, bezahlt von irgendwem, begleitet von einer Schweizer Briefkastenfirma, deren Name so geheim ist, dass er vermutlich nicht mal auf der eigenen Visitenkarte steht. Willkommen beim neuesten Projekt russischer Sanktionsumgehung: Zertifiziert. Exportfähig. Und perfekt getarnt.
Irek Salichow heißt der Architekt dieses Spiels. Früher Öltrader in Tatarstan, heute Chef der Firma „Yadran“, regionaler Abgeordneter und Vollblut-Netzwerker in einem System, in dem Loyalität wertvoller ist als Bilanz. Seine Firmenstruktur liest sich wie ein Schulbuch über russische Schattenwirtschaft: Strohmänner, Offshore-Konstrukte, Holding-Karusselle mit Milliardenumsatz – bis sie plötzlich verschwinden und unter neuem Namen wieder auftauchen.
Jetzt also Gold. Salichow baut in Mali, weil dort keiner fragt, woher das Metall kommt – solange genug davon da ist. Und weil man dort keine Transparenz braucht, sondern nur einen Flughafen, ein paar Bahnlinien und einen Staat, der gerne seine Seele vermietet.
Natürlich ist auch ein „Schweizer Investor“ dabei. Kein Name, kein Impressum, kein Register. Nur die übliche weiße Weste, die alles bedeckt, was man nicht sehen will. Die Schweiz hat 2022 offiziell den Import russischen Goldes verboten – und danach über 75 Tonnen davon verarbeitet. Offiziell aus „anderen Quellen“. Praktisch: aus dem Schatten. Das neue Werk in Mali könnte genau dieses Geschäftsmodell zementieren. Einmal eingeschmolzen, erhält russisches Gold ein neues Etikett: „Made in Mali“. Und die Schweiz bekommt, was sie am meisten liebt: saubere Zahlen auf schmutzigen Barren.
Gebaut wird in Senu, direkt neben dem internationalen Flughafen von Bamako. Kein Gold im Boden. Aber jede Menge Wege raus. Das Werk steht auf fünf Hektar Land, perfekt angebunden – als hätte man von Anfang an für den Export gebaut, nicht für die Förderung. Mali hat ohnehin kaum eigene Raffineriekapazitäten. Bisher ging der Großteil des Goldes als Rohmasse nach Dubai oder Südafrika.
Bald wird es vor Ort „veredelt“ – mit russischer Technik, Schweizer Glanz und einem malischen Etikett, das jede Herkunft tilgt.
Der malische Staat hält 62 % der Anteile an der neuen Firma SOROMA S.A., der Rest gehört Yadran und dem ominösen Schweizer Partner. Finanziert wird das Ganze mit einem Startkapital von einer Million Dollar. Für eine Raffinerie dieser Größenordnung ist das in etwa so glaubwürdig wie ein Tesla aus Sperrholz. Die echte Finanzierung kommt vermutlich aus Russland. Oder China. Oder aus Kanälen, die keine Bilanz brauchen. Mali liefert derweil, was gewünscht ist: Land, politisches Wohlwollen und ein paar Uniformierte, die niemandem Rechenschaft schuldig sind.
Die Rechnung ist einfach: 1 Tonne Gold = rund 32.150 Unzen. Marktpreis aktuell: 3.389 US-Dollar. Macht bei 200 Tonnen pro Jahr: über 21 Milliarden Dollar Umsatz. Und das Beste daran? Nach dem Einschmelzen ist das Gold „offiziell“. Dann darf es gehandelt werden. Dann darf es in Dubai liegen, in Zürich oder London. Dann darf es gegen Dollar oder Yuan getauscht werden – und niemand fragt mehr, woher es wirklich kommt.
Putin braucht keinen schnellen Coup. Er braucht eine strukturierte Umgehung. Eine Infrastruktur, die offiziell nichts mit Russland zu tun hat – aber russisches Gold globalisiert. Die Raffinerie in Mali ist dafür perfekt. Sie ist nicht einmal eine Tarnung. Sie ist ein Systemfehler. Und genau darauf spekuliert der Kreml: dass der Westen weiter auf Etiketten vertraut, während Russland längst neue Routen schafft. Nicht mit Panzern, sondern mit Exportzertifikaten.
In Burkina Faso wurden 2023 über 57 Tonnen Gold gefördert. Auch das soll künftig in Senu verarbeitet werden. Und wer sagt, dass nicht auch Barren aus der Zentralafrikanischen Republik, dem Sudan oder direkt aus Russland ihren Weg dorthin finden? Das Etikett zählt. Nicht der Ursprung.
Und wenn ein russischer Barren einmal durch diesen Ofen gezogen wurde, trägt er das Gütesiegel eines afrikanischen Staates – mit LBMA-Stempel und allem, was dazugehört.
Diese Raffinerie ist kein Bauprojekt. Sie ist ein politischer Sprengsatz mit Zeitzünder. Sie zeigt, wie man Sanktionen nicht bricht, sondern unterläuft. Wie man Wirtschaftskrieg spielt, ohne dass es jemand merkt. Und wie Russland längst seine Schattenwirtschaft globalisiert – mit afrikanischen Regimen, russischen Strohmännern und schweigenden europäischen Partnern.
Wenn in den nächsten Jahren plötzlich auffällig viel „maliisches“ Gold auf den Weltmärkten auftaucht, fragt nicht, woher es kommt. Fragt lieber, warum ihr es nicht verhindert habt.
Die Angaben im Text basieren auf öffentlich zugänglichen Recherchen zu
den russischen Goldaktivitäten in Mali, darunter Berichte von Reuters
(zum Bau der Raffinerie in Senu), Financial Afrik (zur Kapitalstruktur der
SOROMA S.A.), russische Firmenregister sowie Wirtschaftsdaten zur
Yadran-Gruppe und ihrem Gründer Irek Salichow. Ergänzt wurde dies
durch Angaben aus Schweizer Wirtschaftspublikationen zur Rolle der
Edelmetallbranche nach 2022 und durch dokumentierte Umgehungspfad-
Muster über Drittländer. Die technische Einschätzung zur
Raffineriekapazität und Marktvolumina basiert auf dem Goldpreis vom 17.
Juni 2025 (3.389 USD/Unze) sowie der Umrechnung von 1 Tonne = 32.150
Unzen.
Der Text zieht keine geheimen Quellen heran, sondern verknüpft öffentlich
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