Der Opa als Spion – wie Moskau seine Rentner aktiviert

D

Ein 82-jähriger Ex-Politiker aus Litauen wird zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Warum? Weil er über Jahre hinweg als Spion für den russischen Militärgeheimdienst GRU gearbeitet hat. Kein Witz. Kein Roman. Sondern Realität – mitten in der EU.

Der Mann heißt Eduardas Manovas, war früher Mitglied der konservativen Regierungspartei und hatte zwei Staatsbürgerschaften: litauisch und russisch. Ab 2018 lieferte er regelmäßig Informationen an Moskau. Keine Staatsgeheimnisse, klar – aber brisantes Material: politische Stimmungen, parteiinterne Konflikte, Einschätzungen zu NATO, Militärübungen, Verteidigungsstrategien. Alles, was man braucht, um ein Land von innen besser zu durchschauen. Und zu unterwandern.

Der perfekte Spion – grauhaarig, bieder, unauffällig

Warum so ein alter Mann? Weil er perfekt passt. Niemand verdächtigt einen Rentner. Vor allem keinen ehemaligen Konservativen, der brav seine Parteiarbeit macht, alte Kontakte pflegt, sich wichtig fühlt. Genau da setzt der russische Geheimdienst an: bei der Eitelkeit, beim Rest-Stolz, bei der Nostalgie. Alte Männer mit sowjetischer Prägung, die sich nach der „alten Ordnung“ sehnen. Männer, die denken, sie wüssten es besser. Und denen man nur oft genug sagen muss, wie wichtig sie für das große Ganze noch sind.

Moskau hat Erfahrung damit. Manovas bekam Geld, Anerkennung, vielleicht das Gefühl, noch mal gebraucht zu werden. Vielleicht hatte er auch früher schon Kontakte zu sowjetischen Stellen. Vielleicht war’s einfach nur verletzter Stolz. Oder Alterszynismus. Völlig egal. Das Ergebnis zählt: Ein alter Mann wurde zur wertvollen Informationsquelle. Für ein feindliches Regime. Innerhalb der NATO.

Kleine Infos, große Wirkung

Was er geliefert hat, war keine Hochtechnologie. Aber dafür umso gefährlicher. Denn Politik lebt nicht von Fakten allein, sondern von Wahrnehmung, Gerüchten, internen Stimmungen. Wer wissen will, wann eine Partei wackelt, wer sich gegen wen verschwört oder was hinter verschlossenen Türen über Russland gesagt wird, braucht keine Spione im Verteidigungsministerium – sondern einen gut vernetzten alten Parteifreund mit Telefon und Gedächtnis. Genau das war Manovas.

Litauen zeigt, wie’s geht

Und dann das Überraschende: Litauen hat ihn nicht nur überführt, sondern öffentlich angeklagt, verurteilt und aus der Partei geworfen. Ohne Pardon. Kein Gejammer, keine Rücksicht auf sein Alter, keine falsche Toleranz. Obwohl das Risiko bestand, dass ihn die russische Propaganda zur „armen, verfolgten Großvater-Figur“ stilisiert, die der böse Westen im Gefängnis verrotten lässt. Litauen hat durchgezogen. Weil sie wissen, worum es geht.

Und wir?

Schauen wir mal kurz nach Deutschland. Auch hier sitzen ehemalige Politiker in Stiftungen, geben Interviews, mischen in Parteigremien mit – und erzählen, wie „missverstanden“ Russland sei. Auch hier gibt’s „alte weiße Männer“, die von NATO-Kritikern plötzlich zu Moskau-Flüsterern mutieren. Auch hier gibt’s Rentner mit guten Kontakten, die niemand auf dem Schirm hat – weil sie harmlos wirken.

Der Fall Manovas ist kein Einzelfall. Er ist Blaupause. Für eine ganz spezielle Art von Spion: unauffällig, alt, vernetzt, ideologisch weichgekocht – aber brandgefährlich. Weil er unterschätzt wird.

Fazit ohne Moralkeule

Manovas zeigt, wie Russland arbeitet. Nicht mit Panzern. Sondern mit Menschen. Mit Eitelkeit. Mit Nostalgie. Mit gezielter Manipulation. Und wer das belächelt – weil’s ja „nur ein alter Herr“ ist –, verkennt die Strategie dahinter.

Man muss nicht jeden Senior mit Parteibuch unter Generalverdacht stellen. Aber man sollte sich bewusst machen: Der Kreml arbeitet seit Jahrzehnten an der Durchdringung westlicher Gesellschaften – und zwar quer durch alle Altersgruppen, Berufsstände und politischen Lager. Nicht jeder Plausch am Gartenzaun ist harmlos. Und nicht jeder, der „früher mal was zu sagen hatte“, ist heute automatisch unbedeutend.

Das ist keine Paranoia – das ist Realität. Wer sie ignoriert, macht sich nicht tolerant. Sondern naiv.

Schreib einen Kommentar