Der TikTok-Präsident – wie Russland Rumänien als Testgelände für seinen neuen Info-Krieg missbrauchte

D

Am 24. November 2024 gingen die Rumänen zur Wahl. Ganz normaler Sonntag, Kreuzchen setzen, fertig. Was die meisten nicht wussten: Sie steckten mitten in einem der größten russischen Informationsangriffe der letzten Jahre. Das Ergebnis? Ein ultrarechter Verschwörungsfreak namens Călin Georgescu holt fast 20 % und zieht mit Ansage in die Stichwahl ein – obwohl ihn vorher keine Sau kannte.

Was dann passiert, ist historisch: Der rumänische Verfassungsgerichtshof annulliert die Wahl. Nicht, weil Stimmzettel verschwunden sind. Sondern weil TikTok manipuliert wurde – systematisch, flächendeckend, aus dem Ausland. Zum ersten Mal in Europa wird eine Wahl wegen algorithmisch gesteuerter Propaganda auf Social Media für ungültig erklärt. Das ist kein Zukunftsszenario. Das ist jetzt passiert. In einem NATO-Staat.

Und das Werkzeug? TikTok. Eine Plattform, die offiziell einer chinesischen Firma gehört, aber längst als offenes Einfallstor für russische Trollnetzwerke dient. Innerhalb weniger Wochen ballerten Tausende Fake-Accounts im Georgescu-Look durch die Feeds: Anti-EU, Anti-Ukraine, pro Putin, mit religiösem Pathos und Fake-Traditionsduselei. 2.000 dieser Accounts hat der rumänische Cyberabwehrdienst CERT-RO identifiziert – zentral gesteuert, mit wiederverwerteten Templates, russischen IP-Adressen, VPN-Tarnung und geklauten Facebook-Daten. Es war ein digitaler Blitzkrieg – ohne Panzer, ohne Bomben, aber mit voller Wucht ins Hirn.

Georgescu selbst ist die Karikatur eines Moskau-Kandidaten: Pro-Orbán, Pro-Trump, EU-feindlich bis ins Mark. Öffentlich unterstützt von prorussischen Vereinen, gepusht über dubiose TV-Sender mit kremlnaher Finanzierung. Der Mann hätte im Präsidentenamt nicht nur Rumänien gegen die Ukraine gewendet, sondern auch die EU aus dem Inneren sabotiert – ganz ohne offene Aggression. Eine Marionette im Staatsgewand.

Das ist der neue Krieg: kein Schuss, kein Einmarsch, nur TikTok. Und es funktioniert. TikTok wurde in Rumänien zur Radikalisierungsmaschine, besonders in ärmeren, ländlichen Regionen. Junge Leute, frustriert, orientierungslos – perfekte Zielscheibe. Und Russland weiß genau, wo es reindrücken muss: soziale Ungleichheit, EU-Müdigkeit, konservative Nostalgie. Alles eingekocht in 20-Sekunden-Videos mit Musik, Pathos und einem Like-Button.

Aber machen wir uns nichts vor: Das war kein Angriff auf Rumänien – das war ein Testlauf gegen den Osten der NATO. Und der hat funktioniert. Ohne die späten Gegenmaßnahmen der rumänischen Dienste wäre Georgescu heute Präsident. Und Rumänien ein weiterer Orbán-Staat – pro-russisch, blockierend, erpressbar.

Und was macht Europa? Nichts. TikTok bleibt online. Die Netzwerke aktivieren sich schon wieder – in Bulgarien, in Moldau, in der Slowakei. Und Deutschland? Glaubt, das betrifft nur „den Osten“. Dabei ist längst klar: Auch hier formieren sich dieselben Strukturen. Dieselbe Plattform. Dieselben Themen: „Traditionen“, „Verfall des Westens“, „Kampf gegen das System“. Wer da noch glaubt, das sei alles nur Zufall, hat das Spiel nicht verstanden.

Russland braucht keine Panzer mehr. Nur einen Wahlsieg. Einen Kandidaten wie Georgescu. Oder Fico. Oder Orbán. Einer reicht – und du hast ein Land mehr unter Kontrolle. Kein Blut, keine Sanktionen, keine Schlagzeilen. Nur ein „demokratischer Prozess“ und eine Armee aus Memes.

Die Wahrheit? Der Krieg hat längst begonnen. Er findet nicht an Grenzen statt, sondern in Feeds. Nicht mit Raketen, sondern mit Reels. Nicht mit Soldaten, sondern mit Scripts. Und wenn Europa das weiter ignoriert, wird bald der nächste TikTok-Präsident in Brüssel sitzen – freundlich lächelnd. Und komplett ferngesteuert.

By Watchdog