Wir reden über eine Rede, die 76 Jahre alt ist und heute klingt, als wäre sie direkt für uns geschrieben: Churchills Auftritt im März 1946 im College von Fulton im US-Bundesstaat Missouri. Der Krieg ist vorbei, Europa liegt im Schutt, alle sind müde, viele wollen endlich an Frieden glauben. Churchill schaut hin und sagt: Das nächste Desaster steht schon vor der Tür – und es kommt nicht mehr aus Berlin, sondern aus Moskau.
In Fulton zieht er die Linie, die Moskau bis heute triggert: Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria sei ein eiserner Vorhang über Europa gefallen. Dahinter: Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest, Sofia. Alles Städte mit eigener Geschichte, eigenen Eliten – und alle werden in eine „sowjetische Sphäre“ gedrückt. Nicht als Partner, sondern als Objekte. Kommunistische Parteien, vorher klein und unbedeutend, werden künstlich aufgeblasen, bis sie mehr Macht haben, als ihre reale Basis je tragen könnte. Ziel ist nicht Gerechtigkeit, Ziel ist totale Kontrolle.
Churchill benennt das Prinzip dahinter: Kommunismus ist kein „alternatives Modell“, sondern ein Exportvirus. Überall entstehen fünfte Kolonnen, die nicht ihrem Land dienen, sondern einem Zentrum in Moskau. Sie arbeiten synchron, folgen Befehlen, spielen Opposition und sind in Wahrheit nur Rammbock. Nur im britischen Commonwealth und in den USA, sagt Churchill, steckt der Kommunismus noch im Kinderzimmer. Genau dort sitzt die letzte Gegenmacht.
Dann zerschießt er die bequemste Lüge der Nachkriegszeit: Kriege seien wie Naturkatastrophen, da könne man nichts machen. Er sagt klar: Der Zweite Weltkrieg wäre leicht zu verhindern gewesen – mit rechtzeitigen Entscheidungen, klaren roten Linien, echter Abschreckung. Wer Aggressoren durchwinkt, bekommt keinen Frieden, sondern eine größere Katastrophe. Diese Logik legt er direkt auf Stalin. Russland will nicht die Schlacht, es will die Beute. Einflusszonen, Angst, Unterwerfung. Dieses System respektiert nur Stärke und verachtet Schwäche, vor allem militärische. Wer in so einem Setting auf „Verständnis“ setzt, lädt zur nächsten Erpressung ein.
Deshalb fordert Churchill etwas, das damals radikal wirkt: einen geschlossenen Block westlicher Staaten in Europa. Einen Sicherheitsrahmen, in dem niemand dauerhaft draußen steht, aber alle wissen, wo die Grenze verläuft. De facto skizziert er den Vorbau von Montanunion, EG, EU und NATO. Europa nicht als Friedens-Workshop, sondern als Abschreckungsgemeinschaft. Nicht Harmonie ist der Punkt, sondern ein System, das Moskau versteht: klare Verteidigung, verlässliche Bündnisse, null Illusionen über das „neue“ Sowjetrussland.
Die Reaktion aus Moskau läuft nach Lehrbuch: hysterisches Gebrüll. Churchill wird zum Dämon erklärt, seine alten Reden über den menschenfressenden Bolschewismus werden hervorgekramt, Nazi-Generäle aus sowjetischer Gefangenschaft plötzlich als Zeugen gegen „die ewige britische Intrige“ benutzt. Klassischer Spin: Die eigene Aggression wird zur „Verteidigung“ umgelogen, der, der sie beschreibt, wird zum angeblichen Brandstifter gemacht. Nicht die Unterwerfung Osteuropas ist das Problem, sondern die Tatsache, dass jemand sie laut ausspricht.
Churchill kennt dieses Regime da schon seit Jahrzehnten. Seit 1918 laufen bei ihm russische Emigranten, Generäle, Politiker auf, die vor den Bolschewiki geflohen sind. Er weiß von Hungersnöten, Zwangskollektivierung, Terror, von einer Macht, die eine riesige Agrarregion in einen verarmten Rohstoffanhang verwandelt. Später fasst er das in Prognosen zusammen, die heute wie eine Beschreibung Putins Russland wirken: Die Elite importiert Luxus, verkauft Konzessionen, zerstört eigene Wissenschaft und Landwirtschaft, verdreckt das Land und erzählt dem Volk, der Westen sei schuld.
Da kippt der Stoff endgültig in unsere Gegenwart. In Wirklichkeit bestätigt Putin nur Churchills Diagnose: Das Regime ruiniert systematisch seine Landwirtschaft, erstickt lokale Betriebe, vertreibt alle, die Eigeninitiative haben – und schreit dann „Verrat“, weil es ohne westliche Technologie, Saatgut und Elektronik nicht mal stabile Ernten hinkriegt. Die angebliche Energiegroßmacht hängt am Tropf fremder Technologien und stopft sich gleichzeitig mit westlichen Konsumgütern voll, während daheim Infrastruktur und Bildung verrotten. Das ist kein Unfall, das ist Geschäftsmodell.
Noch härter ist Churchills Prognose zur Degeneration: Russland werde irgendwann nicht einmal mehr eigenständig seine Rohstoffe fördern können, die Bevölkerung werde schrumpfen, die Machthaber würden das Land in Stücke an andere verkaufen – als Holzkonzession, als Erzloch, als Atommüllkippe. Wenn man sich ansieht, wie das heutige Russland sibirische Wälder verkloppt, ganze Regionen an China bindet und radioaktiven Dreck in der Provinz entsorgt, wirkt das nicht wie Fiktion, sondern wie ein Fahrplan.
Am Ende steht kein nostalgischer Zigarrenopa, sondern jemand, der beide Systeme – Nazismus und Kommunismus – auf den gleichen Nenner bringt: totale Verachtung des Individuums, Machtkult, Gewalt als Normalzustand. Seine Fulton-Rede ist deshalb keine historische Fußnote, sondern eine Bedienungsanleitung. Wenn der Westen schwach, schuldverliebt und konfliktscheu bleibt, nutzt Moskau das aus. Wenn der Westen Stärke zeigt, Grenzen zieht und seine eigenen Gesellschaften verteidigungsfähig hält, hat dieses System ein Ablaufdatum. Genau diese Frage liegt heute wieder auf dem Tisch: ob wir Russland „verstehen“ wollen – oder ob wir endlich aufhören, uns vom gleichen Muster ein zweites Mal verarschen zu lassen.
────────────
— Trollhunter
Quellen und Einordnung:
Basierend auf Churchills Fulton-Rede (1946), seinen Memoiren und historischer Forschung zur sowjetischen Politik nach 1945. Die Gegenwartsbezüge stützen sich auf öffentlich verfügbare Daten zur Landwirtschaft und Ressourcenwirtschaft Russlands.



